oder: Wie man nichts kann, nichts weiß, nichts beiträgt – und dafür Applaus bekommt. Willkommen, liebe Resthoffnung der Menschheit, zum vielleicht überfälligsten Eintrag dieses Trauerspiels namens Zivilisation. Heute geht’s um Influencer*innen (oder doch Influencierende, oder Inflünzer?). Diese schillernden, in Ringlichtern getränkten Einweg-Menschen mit dem Wort „Authentizität“ im Bio-Feld und einem IQ, der direkt proportional zur Bildwiederholrate ihrer Instagram-Stories ist.
Man könnte sagen, Influencer*innen sind die Popstars unserer Zeit – nur ohne Talent, ohne Stimme, ohne Bühnenpräsenz. Dafür mit einem Affiliate-Code und einem Rabatt auf gesponserte Zahnschienen. Sie stehen an der Spitze der Nahrungskette digitaler Verblödung – Selfmade-Propheten in einem goldenen Käfig aus Likes, Filter-Apps und Markenbotschaften.
Vom Menschen zur Werbesäule – Der Weg ist kurz und flach
Ein Influencer entsteht nicht durch Leistung, Wissen oder gesellschaftlichen Beitrag – sondern durch die Fähigkeit, sich selbst für Inhalte zu halten. Es ist ein bisschen wie Schimmel: Er bildet sich dort, wo zu viel Feuchtigkeit ist und niemand regelmäßig lüftet.
Die Rezeptur ist einfach:
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Nimm ein Handy.
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Tu so, als hättest du etwas zu sagen.
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Reduziere dich selbst auf ein ästhetisch verwertbares Klischee.
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Schrei laut ins Internet, bis sich ein Proteinshake-Hersteller meldet.
So einfach ist es. Und so traurig.
Inhaltliche Leere mit Ästhetik kaschieren
Wenn Influencer*innen eines beherrschen, dann ist es die Kunst der gepflegten Inhaltslosigkeit. Ihre Sprache besteht aus einer Mischung aus "OMG", "Mood", "literally so obsessed" und dem obligatorischen „Ich bin so dankbar für diese Reise“ – obwohl sie seit drei Jahren in derselben Airbnb-Wohnung in Bali hocken und für ein Detox-Tee-Abo werben, das hauptsächlich aus aufgekochtem Rasen besteht.
Sie haben Meinungen – aber keine Substanz. Haltung – aber nur, wenn der Algorithmus es belohnt. Haltung ist bei ihnen ohnehin ein Lifestyle-Accessoire: Heute ein Statement gegen Bodyshaming, morgen ein Rabattcode für die neueste Schönheits-OP.
Der moralische Ausverkauf als Karriereleitfaden
Was sie verkaufen, ist nicht nur Zahnpasta oder Proteinpulver – sie verkaufen die Illusion von Nähe. „Hey Leute, ich will heute mal ganz ehrlich zu euch sein“ – ein Satz, der meist gefolgt wird von einem hypervermarkteten Breakdown, bei dem die Tränen so perfekt glänzen, dass man fast vergisst, dass sie gerade einen Werbevertrag mit einer Kosmetikmarke abgeschlossen haben.
Und ja, manchmal zeigen sie auch „die dunklen Seiten“ – natürlich kuratiert, ästhetisch geframed, mit melancholischer Hintergrundmusik und Hashtags wie #mentalhealthawareness, weil es sich besser verkauft, wenn man kaputt ist UND gut aussieht.
Mikro-Influencer*innen: Die Vorhölle der Relevanz
In den Schatten der großen Clown-Könige des Internets kriechen die Mikro-Influencer*innen – jene tragischen Gestalten mit 1.243 Followern und einem Bewerbungsschreiben in Form von „Hi, ich liebe eure Brand voll und würde gerne kooperieren“.
Sie senden täglich Botschaften in den digitalen Äther wie einsame Satelliten: "Hey Leute, ich hab euch was mitgebracht – meine Meinung." Leider interessiert es niemanden, außer vielleicht ihre drei Fake-Follower aus der Türkei und ein Bot, der russische Viagra bewirbt.
Und das Publikum? Degeneriert mit.
Der eigentliche Witz ist: Das funktioniert. Diese Einpersonen-Infotainment-Werbekampagnen erzeugen Umsatz, Einfluss und gesellschaftliche Relevanz™. Warum? Weil das Publikum sich bereitwillig hypnotisieren lässt. Menschen starren auf Instagram-Storys wie auf Verkehrsunfälle – man will nicht hinsehen, aber es ist zu verlockend.
Wir konsumieren diese Persönlichkeitskarikaturen mit einer Mischung aus Neid, Selbsthass und passiver Zustimmung – wie Chips bei einer Depression: Wir wissen, es macht alles schlimmer, aber der Dopamin-Kick ist kurz und billig.
Warum das alles so gefährlich ist
Die eigentliche Katastrophe besteht nicht darin, dass Influencerinnen existieren – sondern dass sie Vorbildfunktion haben. Kinder wollen keine Ärztinnen oder Wissenschaftler*innen mehr werden – sie wollen „Content Creator“ sein. Sie träumen nicht mehr von Entdeckungen, sondern von Reichweite.
Die Bedeutung von Bildung, Anstand, Diskurs – alles irrelevant, wenn man mit einem perfekten Augenbrauenbogen und einem TikTok-Tanz dreitausend Euro im Monat verdienen kann. Wozu argumentieren, wenn ein Filter mehr Zustimmung bringt als jede kritische Reflexion?
Die ästhetisierte Apokalypse
Influencer*innen sind das Symptom einer Gesellschaft, die ihren moralischen Kompass gegen einen Algorithmus eingetauscht hat. Sie sind das Ergebnis eines Systems, das Beliebtheit mit Wert verwechselt. Sie sind wandelnde Litfaßsäulen, die statt Kleister Selbstdarstellung verwenden.
Und wir? Wir schauen zu. Wir liken. Wir folgen. Wir kaufen.
Weil wir lieber konsumieren als denken.
Letzter Gedanke:
Wenn der Kapitalismus irgendwann stirbt, wird seine Grabrede wahrscheinlich von einer Influencerin gehalten, die weinend vor der Kamera steht und sagt:
„Ich bin so dankbar, Teil dieser Journey gewesen zu sein.“
Dann blendet sie sanft zu einem Rabattcode für Sargdeko über.
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