2025-National-Security-Strategy
Aus sozialdemokratischer Perspektive ist dieses Dokument nicht nur problematisch, sondern brandgefährlich. Es ist der Versuch, eine reaktionäre innenpolitische Agenda in ein außenpolitisches „Großnarrativ“ zu gießen – inklusive kultiviertem Freund-Feind-Denken, Aggression gegen Minderheiten und einem offenen Angriff auf Klima- und Menschenrechtspolitik.
1. „America First“ als Staatsdoktrin – der Abschied von universellen Rechten
Die Strategie beginnt mit einem scheinbar harmlosen Begriff: „nationaler Interessenfokus“. Was wie nüchterne Realpolitik klingt, ist in Wahrheit die konsequente Abkehr von der Idee universeller Menschenrechte.
Die USA definieren ihre Außenpolitik hier ausschließlich über „Kerninteressen“ – verstanden als Sicherheit, Wohlstand und kulturelle Homogenität der eigenen Nation. Alles, was nicht unmittelbar dem eigenen Vorteil dient, wird nachrangig oder gleichgültig behandelt. Internationale Institutionen werden als „souveränitätsschwächend“ diffamiert; multilaterale Abkommen sollen nur noch dann gelten, wenn sie kurzfristig nützen.
Für Sozialdemokrat*innen ist das ein fundamentaler Bruch:
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Sicherheit ist für uns untrennbar mit Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Kooperation verbunden.
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Trumps Strategie behandelt diese Werte dagegen als verzichtbare Dekoration – nett, wenn sie zufällig passen, ersetzbar, sobald sie stören.
Damit verlassen die USA ihren Anspruch, „führende Demokratie“ zu sein, und werden zur egozentrischen Großmacht, die internationales Recht nur noch selektiv anerkennt.
2. Die Feindbilder im Inneren: Migration, „DEI“ und Kulturkampf
Bemerkenswert an einer Sicherheitsstrategie ist, wie viel Raum sie dem inneren Kulturkampf der amerikanischen Rechten gibt.
Migration als existenzielle Bedrohung
Trump erklärt „das Ende des Zeitalters der Masseneinwanderung“ zur sicherheitspolitischen Priorität Nummer eins. Migration wird nicht als soziale Herausforderung oder als Ergebnis globaler Ungleichheit beschrieben, sondern als Invasion, die das Wesen der Nation zerstöre.
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Eine solche Sprache kennt man aus der extremen Rechten, nicht aus seriösen Staatsdokumenten.
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Anstatt Fluchtursachen – Kriege, Armut, Klimafolgen – anzugehen, werden Menschen auf der Flucht zu sicherheitspolitischen Objekten degradiert.
Aus sozialdemokratischer Sicht ist das gleich doppelt zynisch:
Es ignoriert die Mitverantwortung westlicher Politik für globale Ungleichheit und macht zugleich die Schwächsten – Geflüchtete, Arbeitsmigrant*innen – zu Sündenböcken.
Angriff auf Diversität und Gleichstellung
Die Strategie feiert ausdrücklich, dass Trumps Regierung „DEI“ – also Diversity-, Equity- und Inclusion-Programme – „ausmerzt“ und durch eine angebliche Kultur der „Kompetenz und Meritokratie“ ersetzt.
Was hier als Leistungsprinzip verkauft wird, ist faktisch:
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die Rückabwicklung von Antidiskriminierung,
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die Abwertung von Minderheiten,
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und die Erzählung, Gleichstellung sei ein „Sicherheitsrisiko“.
Für Sozialdemokrat*innen ist das ein bekanntes Muster: Wer soziale Spaltung vertuschen will, erklärt Gleichstellungspolitik zur „Gefahr“ und lenkt von ökonomischer Ungleichheit ab. Die eigentliche Bedrohung der Demokratie – Monopolmacht, Oligarchisierung, Desinformation – kommt im Papier praktisch nicht vor.
3. Sozialpolitischer Blindflug: Wirtschaft als Waffe, nicht als Gemeinwohlprojekt
Die Strategie betont immer wieder die „Stärke der amerikanischen Wirtschaft“ – aber nicht, um sozialen Fortschritt zu ermöglichen, sondern um geopolitische Dominanz zu sichern.
Re-Industrialisierung ohne Arbeitnehmerrechte
Die Re-Industrialisierung wird mit Zöllen, Nationalismus und einem vagen Versprechen auf „gut bezahlte Jobs“ begründet. Doch:
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Es fehlt jedes ernsthafte Konzept für Arbeitnehmerrechte, Mitbestimmung oder soziale Sicherung.
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Gewerkschaften werden mit keinem Wort als Partner erwähnt; stattdessen wird die „Flexibilität“ der Märkte gepriesen.
Im Kern lautet die Botschaft:
Die Industrie soll zurückkehren – aber zu Bedingungen der Arbeitgeber, eingebettet in einen aggressiven Wirtschaftsnationalismus.
Finanzdominanz als Machtinstrument
Die Vorherrschaft des Dollars und der US-Finanzmärkte wird offen als Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen beschrieben. Sanktionen, Kapitalflüsse, Zugänge zu Märkten – alles wird instrumentalisiert.
Dem steht das sozialdemokratische Ideal einer gerechten, regulierten Weltwirtschaft entgegen, in der Finanzmärkte dem Gemeinwohl dienen und nicht als geopolitische Knüppel eingesetzt werden.
4. Front gegen Klima- und Transformationspolitik
Besonders drastisch ist der Abschnitt zur Energiepolitik:
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„Klimawandel“ und „Net Zero“ werden ausdrücklich als „desastrische Ideologien“ verworfen.
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Ziel ist „Energiedominanz“ durch Öl, Gas, Kohle und Atom – nicht als Brücke, sondern als Strategie auf Jahrzehnte.
Damit stellt sich diese Sicherheitsstrategie in direkten Gegensatz zu allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationalen Abkommen.
Aus sozialdemokratischer Perspektive heißt das:
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Die ökologische Krise – eine der größten Sicherheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts – wird ignoriert oder geleugnet.
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Zukunftsfähige Industriepolitik, die auf Dekarbonisierung, Innovation und gerechte Transformation setzt, wird vorsätzlich blockiert.
Kurz: Diese „Sicherheitsstrategie“ produziert Unsicherheit – für Küstenregionen, für die globale Ernährungslage, für ganze Weltregionen, die unter Klimafolgen leiden.
5. Europa: „Zivilisatorischer Niedergang“ als politisches Programm
Der Europa-Teil liest sich wie eine Mischung aus kulturpessimistischer Kolumne und AfD-Wahlprogramm.
Europa als abschreckendes Negativbeispiel
Europa wird beschrieben als:
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ökonomisch stagnierend,
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„zivilisatorisch bedroht“ durch Migration,
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politisch von „transnationalen Eliten“ dominiert, die Meinungsfreiheit einschränken.
Die Strategie bekennt sich zwar formal zu NATO und Zusammenarbeit – inhaltlich ist sie aber ein Frontalangriff auf die EU als politische und normative Ordnung.
Für uns als Sozialdemokrat*innen hat das erhebliche Konsequenzen:
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Europa wird gespalten.
Statt europäischer Integration werden „patriotische Parteien“ und „widerständige Nationen“ ermutigt – sprich: rechtspopulistische und nationalkonservative Kräfte. -
Sozial- und Klimapolitik werden delegitimiert.
Regulierung – etwa im Verbraucher-, Arbeits- oder Klimaschutz – wird als Ursache für ökonomischen Niedergang gebrandmarkt. -
Frieden wird zur Verhandlungsmasse.
Beim Krieg in der Ukraine drängt das Papier auf schnelle „Stabilisierung“ und strategische Verständigung mit Russland – nicht auf ein gerechtes, völkerrechtskonformes Ende des Krieges. Entscheidend ist nicht die Sicherheit der Ukrainer*innen, sondern der Wunsch, Europa „zur Ruhe“ zu bringen und wieder als Absatzmarkt zu nutzen.
Hier zeigt sich ein zynischer Realismus:
Demokratische Selbstbestimmung und Menschenrechte gelten nur, solange sie dem geopolitischen Kalkül nicht widersprechen.
6. „Monroe-Doktrin 2.0“ und der neue Kolonialreflex
Mit der sogenannten „Trump Corollary“ zur Monroe-Doktrin beanspruchen die USA ungeniert exklusive Vorherrschaft über die westliche Hemisphäre.
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Nicht-amerikanische Mächte sollen aus Lateinamerika und der Karibik herausgedrängt werden.
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Militärische Präsenz, Einfluss auf Infrastruktur, Handelsverträge – alles soll unter US-Kontrolle stehen.
Das ist die Rückkehr zu einem kolonialen Denken, das wir aus dem 19. Jahrhundert kennen:
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Die Souveränität lateinamerikanischer Staaten wird faktisch zur Verhandlungsmasse.
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Demokratie, Menschenrechte, soziale Entwicklung werden dem Ziel untergeordnet, „unseren Einfluss“ zu sichern und Konkurrenz – heute China, morgen andere – auszuschalten.
Aus sozialdemokratischer Sicht wäre eine progressive Alternative klar:
Partnerschaft auf Augenhöhe, faire Handelsbeziehungen, Unterstützung bei sozialer und ökologischer Entwicklung. Trumps Strategie dagegen setzt auf Erpressung („sole-source contracts“) und auf das Ausbooten anderer Akteure – im Zweifel auch gegen den Willen der betroffenen Gesellschaften.
7. Friedensrhetorik ohne Friedenspolitik
Das Dokument feiert Trump nahezu messianisch als „President of Peace“, der in wenigen Monaten mehrere Konflikte „gelöst“ habe.
Doch zwei Dinge fallen auf:
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Frieden wird als Deal, nicht als Prozess verstanden.
Komplexe Konflikte – etwa im Nahen Osten oder in Afrika – werden auf die Bühne präsidialer Inszenierung gezogen: ein Gipfel, ein Abkommen, ein Foto – fertig.
Nachhaltige Friedensförderung aber braucht: Stärkung von Zivilgesellschaft, Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen, soziale Gerechtigkeit. All das kommt im Papier praktisch nicht vor. -
Menschenrechte sind Nebenrolle.
Autokratische Regime werden akzeptiert, solange sie „stabil“ sind und amerikanischen Interessen dienen. Demokratisierung wird nicht aktiv gefördert, sondern eher als störend empfunden, wenn sie „unsere“ Herrscher vor Ort in Frage stellt.
Das Ergebnis ist eine Art „Frieden ohne Demokratie“ – stabil, solange die Unterdrückten schweigen, jederzeit brüchig, sobald Widerspruch entsteht. Für Sozialdemokrat*innen ist klar: Solche „Deals“ schaffen keine dauerhafte Sicherheit, sondern vertagen die nächste Explosion.
8. Was heißt das für uns Sozialdemokrat*innen in Europa?
Diese National Security Strategy ist kein amerikanisches Binnenproblem. Sie definiert, wie die größte Militärmacht der Welt auf uns, unsere Nachbarn und unsere gemeinsamen Herausforderungen blickt.
Für europäische Sozialdemokrat*innen ergeben sich mindestens fünf Konsequenzen:
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Stärkung einer eigenständigen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.
Wer sich auf eine USA nach Trumps Muster verlässt, macht sich abhängig von einer unberechenbaren, interessengeleiteten Großmacht. Europa braucht strategische Autonomie – militärisch, wirtschaftlich, energiepolitisch. -
Klare Kante gegen Rechtsnationalismus – auch transatlantisch.
Trumps Strategie ist ideologischer Rückenwind für europäische Rechtspopulisten. Dem müssen wir ein eigenes, positives Narrativ entgegensetzen: Demokratie, Rechtsstaat, soziale Sicherheit und Klimaschutz gehören zusammen – sie sind kein „zivilisatorischer Niedergang“, sondern die Grundlage für ein gerechtes, sicheres Europa. -
Verteidigung des Multilateralismus.
Wenn die USA internationale Organisationen schwächen, müssen andere sie stärken: UNO, ILO, WHO, Klimarahmenkonvention, Menschenrechtsgremien. Das ist nicht naiv, sondern rational: Nur starke gemeinsame Regeln verhindern, dass das Recht des Stärkeren zurückkehrt. -
Soziale und ökologische Sicherheit zusammendenken.
Trumps Strategie zeigt, was passiert, wenn Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit als „Luxus“ behandelt werden: Die Folgen – Migration, Konflikte, Ressourcenkriege – werden zu sicherheitspolitischen Problemen. Unsere Antwort muss sein: gerechte Transformation, Investitionen in grüne Infrastruktur, weltweite Armutsbekämpfung. -
Solidarität mit den demokratischen Kräften in den USA.
Denn eines ist klar: Diese Strategie spricht nicht für „die Amerikaner*innen“, sondern für eine Regierung, die ihr Land nach rechtsaußen zieht. Progressive, Gewerkschaften, Bürgerrechtsbewegungen, junge Klimagruppen – sie sind unsere natürlichen Partner.
Sicherheit gegen Solidarität – oder Sicherheit durch Solidarität?
Trumps National Security Strategy entscheidet sich eindeutig für die erste Variante: Sicherheit gegen Andere – gegen Migrant*innen, gegen progressive Bewegungen, gegen internationale Institutionen, gegen Klima- und Menschenrechtspolitik.
Sozialdemokratische Politik muss das Gegenteil anbieten: Sicherheit durch Solidarität.
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durch gerechte Wirtschaftsordnung statt Wirtschaftskrieg,
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durch Klimaschutz statt fossile Dominanz,
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durch Menschenrechte statt Zynismus,
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durch Kooperation statt nationalistischem Muskelspiel.
Dieses Papier ist ein warnendes Beispiel, wie eine Großmacht aussehen kann, wenn sie sich aus der gemeinsamen Verantwortung verabschiedet. Umso mehr liegt es an uns – in Europa, in der internationalen Sozialdemokratie, in Gewerkschaften und Zivilgesellschaft –, eine andere, solidarische Sicherheitsordnung zu entwerfen und Schritt für Schritt Realität werden zu lassen.
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