In der unermüdlichen Suche nach dem nächsten großen kulturpolitischen Aufreger hat die CSU kürzlich eine neue Idee aus dem traditionsgetränkten Hut gezogen: Die Einführung einer Pflicht zum Singen der Nationalhymne bei schulischen Zeugnisverleihungen. Was auf den ersten Blick wie ein verspäteter Aprilscherz klingt, wurde von Parteivertreter*innen mit voller Überzeugung als Maßnahme zur „Stärkung nationaler Identität“ präsentiert.
Laut CSU-Parteichef Markus Söder sei das Absingen der Hymne ein wichtiges Ritual, um „junge Menschen in ihrer Verbundenheit mit dem Land zu fördern“. Schülerinnen und Schüler sollen also nach einem Jahr voller Leistungsdruck, Prüfungsstress und zu wenig Personal nicht einfach nur ihre Zeugnisse überreicht bekommen – sie sollen vorher bitte auch noch im Chor den Stolz auf die Bundesrepublik intonieren.
Die Reaktionen aus der Bildungslandschaft fallen – wenig überraschend – kritisch bis kopfschüttelnd aus. Viele Lehrerinnen, Schulleiterinnen und Bildungswissenschaftler*innen fragen sich, wie das Absingen einer Hymne strukturelle Probleme wie Lehrkräftemangel, marode Schulgebäude oder fehlende Digitalisierung lösen soll. Die Antwort ist: Gar nicht.
Denn wie so oft handelt es sich bei der Forderung der CSU um symbolpolitisches Schaumschlagen. Während die Realität an vielen Schulen von Überforderung und Ressourcenknappheit geprägt ist, verlegt sich die Debatte auf kulturelle Folklore. Wer die Hymne nicht mitsingt, ist in dieser Logik nicht nur unmusikalisch, sondern gleich ein Problem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Dabei stellt sich auch die praktische Frage: Wie gehen Schulen mit Schüler*innen um, die sich aus persönlichen, politischen oder religiösen Gründen nicht an der Hymne beteiligen möchten? Wird es Anwesenheitslisten geben? Sitzpflicht? Hymnenaufsicht?
Wäre es nicht sinnvoller, Jugendlichen Räume zu geben, um ihre pluralistischen Identitäten zu reflektieren – anstatt sie auf einen nationalen Ton einzuschwören?
Die CSU bleibt jedenfalls sich selbst treu: Statt systemische Probleme anzupacken, setzt sie auf heimatliche Choreografie. Bleibt zu hoffen, dass Lehrer*innen weiterhin den Fokus auf Bildung legen – und nicht auf musikalisch inszenierten Patriotismus.
Denn wer Schulen wirklich stärken will, sollte mehr in sie investieren – und weniger in Gesangsrituale.
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