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Der 4. November 1989: Die vergessene Großdemo in Ost-Berlin – Aufbruch, Protest und der stille Bruder der Wende


Der 4. November. Kein Feiertag, keine Gratis-Donuts, keine explodierenden Feuerwerke. Und trotzdem ist dieses Datum eine Art unterschätzte Primadonna der deutschen Geschichte. Es ist nicht der 3. Oktober (zu offiziell), nicht der 9. November (zu viel Drama), sondern dieser komische Bruder in der Mitte, der in der Ecke sitzt, leise brodelt und sich fragt, warum ihn keiner ernst nimmt.

Aber fangen wir vorne an. Nein, nicht im Mittelalter – bitte. Wir sind doch moderne Menschen mit Internet und Mikroplastik in der Blutbahn. Schauen wir also auf die Demo vom 4. November 1989 in Ost-Berlin. Jene ominöse Veranstaltung, bei der die DDR kurz dachte: „Moment mal, warum sind da plötzlich 500.000 Leute auf dem Alexanderplatz, und warum rufen die nicht ‘mehr Broiler für alle’, sondern ‘Demokratie’?“

Richtig gehört. Eine halbe Million Menschen – ja, damals, als man für Empörung noch keinen Hashtag brauchte – stellten sich hin und forderten Reformen. Wie uncool. Die SED-Führung saß da wie ein schlecht programmierter VHS-Rekorder und spulte dieselben Floskeln ab, während unten auf dem Platz Schauspieler wie Ulrich Mühe – noch nicht mal als Stasi-Offizier verkleidet – gegen Zensur wetterten.

Ironischerweise wollten die meisten Demonstrierenden nicht gleich den kompletten Zusammenbruch der DDR. Sie wollten einfach nur, dass der Sozialismus mal die Fenster aufmacht und lüftet. Stattdessen kam dann am 9. November: bam, Mauer auf, System kaputt, Kapitalismus rein, alle im Westen kaufen sich Jogginghosen bei C&A.

Aber zurück zum 4. November. In der Retrospektive wirkt er wie der letzte zarte Versuch, eine kaputte Beziehung zu retten: Man schreibt noch einmal einen Brief, man bittet um Veränderung, man versammelt Freunde für ein gutes Wort. Doch der Partner – in diesem Fall: die DDR – reagiert wie immer: passiv-aggressiv, mit innerer Leere und einem leichten Geruch nach Braunkohle.

Und heute?
Heute ist der 4. November hauptsächlich dafür da, damit sich Historiker klug fühlen können und Leute auf Twitter sagen: „Wusstet ihr, dass…?“ – bevor sie wieder auf TikTok verschwinden.

Die große Demonstration von 1989 wird gerne als Sternstunde der Zivilgesellschaft bezeichnet. Und das stimmt auch – im selben Sinne, wie eine Kerze im Flur eine „Notbeleuchtung“ ist. Aber hey, es war ein Versuch. Und die Menschen, die dort standen, hatten mehr Rückgrat als die meisten heute, die schon beim Gedanken an eine kalte Demo ohne WLAN anfangen zu weinen.

Was also geschah am 4. November?
Eine Gesellschaft hielt kollektiv den Atem an. Für ungefähr fünf Tage. Dann ging’s weiter wie immer – nur mit Bananen.

Der 4. November ist wie der Indie-Film unter den historischen Daten: nicht ganz Mainstream, aber mit Tiefgang. Wenn du ihn kennst, bist du wahrscheinlich Lehrer, Historiker oder jemand, der Wikipedia-Artikel liest, wenn er nicht schlafen kann. Aber immerhin: Er erinnert uns daran, dass Menschen tatsächlich mal ihre Couch verlassen haben, um für etwas einzustehen.

Verrückt, oder?


 

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