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Was macht einen guten deutschen Sozialdemokraten aus?

Natürlich, ein Thema wie gemacht für eine Nation, die gerne 17-seitige Parteiprogramme liest, um sich dann bei der Wahl doch von einem Wahlplakat mit dem Wort „Zukunft“ beeinflussen zu lassen.
Ein guter deutscher Sozialdemokrat ist eine faszinierende Mischung aus Pragmatiker, Idealist und leicht erschöpftem Beamten der politischen Moral. Er trägt das Erbe von August Bebel in der linken Brusttasche und die Sorge um die Pendlerpauschale in der rechten.

Er hat ein historisches Gedächtnis (aber nicht zu viel davon)
Ein guter Sozialdemokrat weiß, dass er auf den Schultern von Giganten steht – Brandt, Schmidt, Schröder… naja, zwei von dreien zumindest. Aber er redet lieber von „Erneuerung“ als von „Agenda 2010“, weil er weiß, dass man mit Nostalgie keine Wahlen gewinnt. Oder Renten sichert.

Sein Lieblingswort ist "Soziale Gerechtigkeit"
Er kann das Wort „soziale Gerechtigkeit“ in jedem Satz unterbringen, selbst wenn es um das Wetter geht. („Es regnet – ein klarer Auftrag für mehr soziale Gerechtigkeit!“) Dabei meint er nicht nur Umverteilung, sondern auch Bildungsaufstieg, Tarifbindung und ein 49-Euro-Ticket, das moralisch 29 kosten sollte.

Der Kompromiss ist sein Lebenselixier
Der gute Sozialdemokrat liebt Kompromisse. Wenn zwei Leute sich streiten, bietet er einem einen Mindestlohn und dem anderen eine Steuererleichterung an. Seine politische Lieblingsstellung ist das Sitzen auf dem Zaun – mit Übersicht, versteht sich.

Er ist Verfechter eines geeinten Europas, aber mit deutschem Akzent
Er ist leidenschaftlicher Europäer, aber einer, der sicherstellt, dass die Bürokratie funktioniert und die Bananenkrümmung akzeptabel ist. Er träumt von mehr Solidarität – solange die anderen sich auch an die Schuldenbremse halten.

Mit Gewerkschaftsherz und Streaming-Abo-Hirn
Ein guter Sozialdemokrat ist in der IG Metall, hat aber auch ein Netflix-Abo. Er denkt in Flächentarifen und klickt auf „weitergucken“. Seine politische Bildung holt er sich aus Talkshows und dem Deutschlandfunk – aber er liest auch mal was von Habermas, wenn er einschlafen will.

Er mag Fortschritt ohne Tumult
Er glaubt an Fortschritt, aber in einer Geschwindigkeit, bei der niemand vom Bürgersteig fällt. Transformation ja, aber bitte mit Förderprogramm und Übergangsregelung. Revolution überlässt er den Grünen oder TikTok.

Fazit:
Ein guter deutscher Sozialdemokrat ist jemand, der mit ruhiger Stimme erklärt, warum man weder die Welt retten noch einfach alles so lassen kann. Er ist der politische Mittelweg in bequemen Schuhen. Und vielleicht ist genau das – in Zeiten der Aufregung – seine größte Stärke.



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