Direkt zum Hauptbereich

CDU statt AfD? Die bürgerliche Sehnsucht nach Ordnung, Kirche und Leitkultur


Die CDU ist eine bürgerlich verpackte Alternative zur AfD für Menschen mit Kirchensteuerbescheid und nostalgischer Sehnsucht nach Adenauer-Zeitgeist – also für all jene, die sich vor gesellschaftlicher Modernisierung fürchten, aber dennoch als „bürgerlich“ durchgehen wollen.

Während die AfD laut und enthemmt mit Ressentiments um sich wirft, gibt sich die CDU staatsmännisch, gesetzt – der biedere Onkel, der den Raum mit dem Satz „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ betritt, aber vorher prüft, ob ein Mikrofon läuft. Die CDU distanziert sich offiziell von der AfD, doch ihre Politik liefert seit Jahren – etwa durch Rhetorik zur Leitkultur, Forderungen nach Obergrenzen bei Migration oder der Blockade progressiver Familienmodelle – den geistigen Mörtel für das, was die AfD dann mit dem Presslufthammer raushaut.

Die CDU bietet Law-and-Order-Fantasien, ein ewiges Sonntagsgefühl der 80er Jahre und die tröstliche Illusion, man könne mit Anzügen und Ausschusssitzungen den Lauf der Welt aufhalten. Migration? Nur mit Obergrenze. Klima? Nur, wenn’s der Wirtschaft passt. Bildung? Nur, wenn sie keine Identitätspolitik berührt. Gesellschaftlicher Wandel? Bitte erst nach dem Frühschoppen.

Und dann ist da der fromme Unterbau – katholisch durchtränkt und moralisch aufgeladen. Die CDU pflegt ein inniges Verhältnis zum christlichen Fundamentalismus, solange der sich artig als „Werteorientierung“ verkleidet. Man spricht von „Leitkultur“, meint aber die symbolische Christusdarstellung im heimischen Wohnzimmer – heterosexuell, monogam, missionarisch. Frauenrechte? Familienpolitik? Nur soweit sie dem heiligen Dreiklang von Mutter, Vater, Kind dienen. Regenbogenfahne? Nur, wenn sie nach Papstsegen riecht.

Kurz gesagt: Die CDU ist für Leute, die wie die AfD fühlen, aber zu feige sind, es zuzugeben. Ein ideologisches Komfortsofa: hart in der Haltung, weich in der Sprache – und immer mit Blick zum Kreuz. Sie bietet jenen ein Zuhause, die sich nach kultureller Ordnung und religiöser Gewissheit sehnen, aber nicht in offener Rebellion gegen das demokratische System auftreten wollen. Statt plumpem Populismus serviert sie symbolische Politik mit Weihrauchduft – sichtbar etwa in der jüngsten Debatte um das Verbot geschlechterneutraler Sprache in Verwaltung und Bildung – konservativ, aber in Sonntagskleidung. Wer also die gesellschaftliche Uhr zurückdrehen möchte, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, der findet in der CDU einen diskreten Erfüllungsgehilfen: traditionsbewusst, autoritätsliebend und jederzeit bereit, im Namen von "Werten" gegen Veränderung zu wettern – ohne jemals den Anschein von Radikalität zu erwecken.

Bücher von Ralf Schönert

Jetzt erhältlich bei diesen Buchhandlungen. Alles sinnvolle Alternativen zum großen Onlineriesen. #buyfromEU:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mit Vollgas in die Bedeutungslosigkeit – Der Bundesparteitag der SPD, Juni 2025

Vom 27. bis 29. Juni 2025 versammelt sich die SPD in einer Halle irgendwo zwischen pragmatischer Verzweiflung und nostalgischem Sozialdemokratieschmerz zum Bundesparteitag. Man nennt es ein "Zusammenkommen", obwohl der innere Zustand der Partei eher an einen Stuhlkreis mit Flipchart erinnert, auf dem in roter Filzschrift steht: "Wir schaffen das – irgendwann". Thema des Parteitags: "Zukunft gestalten" – was ungefähr so viel Substanz hat wie ein feuchter Toast mit Aufdruck "Mut zur Mitte". Der Parteivorstand wird vermutlich mit PowerPoint-Präsentationen versuchen, dem Parteivolk zu erklären, warum 14% in den Umfragen ein Erfolg sind und wie man das als Mandat zur Regierungsführung deuten könnte. Olaf Scholz, der immer noch wirkt wie ein humanoider Ausdruck eines Behördenschreibens aus den 90ern, wird mit Lars Klingbeil ein "Zeichen der Erneuerung" setzen, indem er exakt dasselbe sagt wie 2021, nur diesmal mit leicht verzweifeltem Augenau...

"Stolzmonat" als rechte Hetzkampagne gegen den Pride Month

  Gestern endete der Juni, weltweit als Pride Month bekannt – ein Monat, in dem queere Menschen ihre Identität feiern, Sichtbarkeit fordern und gegen Diskriminierung demonstrieren. Mit Paraden, kulturellen Veranstaltungen und politischen Aktionen erinnern LGBTQIA+-Gemeinschaften und ihre Unterstützer an die Stonewall-Aufstände von 1969 in New York – ein Wendepunkt im Kampf für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Doch seit einigen Jahren wird der Pride Month gezielt von rechtspopulistischen und extrem rechten Akteuren angegriffen. Eine besonders perfide Strategie rechtsextremer und rechtspopulistischer Akteure ist die Erfindung eines sogenannten „Stolzmonats“ (englisch: "Straight Pride Month"), der als vermeintlich gleichwertiges Gegenstück zum Pride Month inszeniert wird. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich jedoch eine gezielte homofeindliche Kampagne, die in ideologischer Nähe zu kulturkämpferischen, autoritär geprägten Weltbildern steht und bewusst d...

Braucht Deutschland einen Veteranentag?

Deutschland hat jetzt also tatsächlich einen Veteranentag eingeführt. Wunderbar. Nur 80 Jahre nach Kriegsende, man will sich ja nicht hetzen. Seit 2025 begeht Deutschland nun offiziell einen Veteranentag – jedes Jahr am 15. Juni oder am davorliegenden Wochenende. Ein historischer Schritt in einem Land, das sich schwer damit tut, sein Verhältnis zum Militär neu zu denken. Doch so richtig angekommen ist dieser Tag in der gesellschaftlichen Mitte noch nicht. Der Veteranentag soll Soldatinnen und Soldaten würdigen, die in Auslandseinsätzen gedient haben – als Anerkennung für ihre oft übersehene Leistung.  Doch statt Applaus herrscht vielerorts Achselzucken. Der Begriff „Veteran“ klingt für viele Deutsche noch immer nach amerikanischem Pathos, nach Kriegsverherrlichung, nicht nach Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Die Frage ist also nicht mehr,  ob  Deutschland einen Veteranentag braucht – sondern  wie  es diesen Tag mit Inhalt füllt. Ein Veteranentag da...