Während man sich in Bayern genüßlich eine halbe Maß reinschraubt und darüber sinniert, ob der nächste Ministerpräsident wohl einen Bart tragen sollte, stand in NRW wieder ein Fest der Willensbekundung an, bei dem sich die Bürger mit einer Begeisterung einbrachten, die irgendwo zwischen „Ich wurde gezwungen“ und „Ich dachte, das wäre ein Gewinnspiel“ lag. In den Fußgängerzonen, diesen natürlichen Lebensräumen für politische Amateurakteure, standen wieder faltige Wahlstände mit knallbunten Flyern, deren Design offenbar von gelangweilten Praktikanten und stockblinden Grafikprogrammen entworfen worden war. Dahinter: Kandidaten mit leeren Augen und noch leereren Versprechen, die erklärten, man werde alles besser machen – und zwar sofort, nur halt nicht jetzt und nur unter der Bedingung, dass man irgendwie nie konkret werden müsse.
Man versprach „mehr Bürgernähe“, was in der Praxis bedeutete, dass jemand auf einem Wochenmarkt kurz genickt hat, während er einem Rentner das letzte Exemplar des kostenlosen Kugelschreibers aus der Parteikiste überreichte. Die Wahlprogramme selbst – sofern sie jemand gelesen hat, also niemand – lasen sich wie eine Mischung aus Science-Fiction und Bewerbungsschreiben für einen nicht ausgeschriebenen Posten in der galaktischen Verwaltung von Andromeda. Da wurde von grüner Transformation geschwafelt, während die Bushaltestellen noch aus der Bronzezeit stammten.
Die Digitalisierung sollte „dringend angegangen“ werden, während kommunale Webseiten mit Ladezeiten von drei Tagen glänzten. Und natürlich wollte jede Partei bezahlbaren Wohnraum schaffen – direkt nach der Abschaffung von Schwerkraft und schlechtem Wetter. Am Wahlabend dann das übliche Theater: freudige Gesichter bei denen, die irgendwie mehr Stimmen gesammelt hatten als der letzte Schnupfen, betretene Mienen bei denen, die sich zu Unrecht für beliebt hielten. In den Fernsehstudios saßen die Experten – also Leute, die sich beruflich mit Zahlen beschäftigen, weil sie keine Freunde haben – und erklärten langatmig, warum alles irgendwie gleich geblieben ist, obwohl sich alle sehr angestrengt haben, so zu tun, als stünde eine Revolution bevor. Koalitionen wurden angedeutet, dementiert, verneint, besiegelt und am Ende einfach irgendwie hingenommen, weil irgendjemand am Ende halt Bürgermeister werden muss, auch wenn niemand so genau weiß, was der dann eigentlich macht.
Und während all das passiert, sitze ich hier in Bayern, umgeben von Lederhosen, Brezeln und dem Gefühl, dass politische Prozesse wenigstens hier noch ein bisschen folkloristisch verpackt werden, damit man sich bei der Farce nicht ganz so nackt fühlt. NRW wählt – und alles bleibt, wie es war: kompliziert, unübersichtlich und gleichzeitig seltsam irrelevant. Vielleicht ist das das wahre Wesen der Kommunalwahl. Ein bisschen wie Lotto – nur dass man beim Verlieren sicher ist.
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