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Internationaler Strafgerichtshof (ICC) einfach erklärt – Aufgaben, Verfahren und aktuelle Fälle

Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) ist das erste ständige, auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhende internationale Strafgericht mit Sitz in Den Haag (Niederlande). Seine Hauptaufgabe besteht darin, Personen strafrechtlich zu verfolgen und zur Verantwortung zu ziehen, die schwerste Verbrechen von internationaler Tragweite begangen haben: etwa die Anordnung ethnischer Säuberungen, die Rekrutierung von Kindersoldaten oder systematische Massenvergewaltigungen in bewaffneten Konflikten. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression.

Die Grundlage des ICC ist das Römische Statut, ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 17. Juli 1998 verabschiedet und am 1. Juli 2002 in Kraft gesetzt wurde. Bis heute haben über 120 Staaten das Römische Statut ratifiziert und sind damit Vertragsstaaten des ICC. Zu den bemerkenswerten Nichtmitgliedern zählen unter anderem die Vereinigten Staaten, Russland, China und Indien, die teils aus Sorge um Einschränkungen ihrer nationalen Souveränität, politischer Einflussnahme oder möglicher Anklagen gegen eigene Staatsbürger eine Beteiligung ablehnen. Deutschland gehört zu den Gründungsmitgliedern und ist ein starker Befürworter des Gerichts.

Der Gerichtshof ist als unabhängige Institution organisiert und kein Organ der Vereinten Nationen, obwohl eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden besteht. Die Struktur des ICC umfasst vier zentrale Organe: die Präsidentschaft, die richterliche Kammer, das Amt der Anklage und das Kanzleramt. Das Amt der Anklage ist für die Durchführung der Ermittlungen und Anklagen verantwortlich. Es agiert unabhängig von politischen Weisungen und hat weitreichende Befugnisse, um Ermittlungen einzuleiten, Beweise zu sammeln und Anklagen zu erheben, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Es handelt unabhängig und wird derzeit von Karim Khan geleitet (Stand: 2024).

Der ICC kann nur tätig werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Entweder wurde ein Fall von einem Vertragsstaat an das Gericht verwiesen, der UN-Sicherheitsrat hat ihn überwiesen, oder der Chefankläger hat auf eigene Initiative (proprio motu) Ermittlungen eingeleitet. Zudem muss das mutmaßliche Verbrechen entweder auf dem Territorium eines Vertragsstaates begangen worden sein oder von einem Staatsangehörigen eines Vertragsstaates. Ausnahmen bestehen bei Überweisungen durch den Sicherheitsrat, wodurch auch Nichtvertragsstaaten erfasst werden können.

Ein zentrales Prinzip des ICC ist die Komplementarität: Der Gerichtshof wird nur tätig, wenn nationale Gerichte nicht willens oder in der Lage sind, selbst Ermittlungen oder Strafverfolgung durchzuführen. Dadurch soll der nationale Rechtsstaat gestärkt und eine Paralleljustiz vermieden werden.

Seit seiner Gründung hat der ICC mehrere bedeutsame Verfahren geführt, etwa gegen Thomas Lubanga, der als erster Angeklagter vor dem Gerichtshof stand. Ihm wurde vorgeworfen, als Anführer einer Miliz im Bürgerkrieg der Demokratischen Republik Kongo für die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich gewesen zu sein (DR Kongo), Jean-Pierre Bemba (ebenfalls DR Kongo), Laurent Gbagbo (Elfenbeinküste) oder Omar al-Bashir (Sudan). Die Arbeit des Gerichts ist jedoch nicht unumstritten. Kritiker werfen dem ICC eine unausgewogene regionale Fokussierung vor, insbesondere auf afrikanische Staaten. Auch die teilweise mangelnde Durchsetzungskraft des Gerichts – etwa bei Festnahmen von Angeklagten in Nichtmitgliedstaaten – wird als Schwäche angesehen.

In jüngerer Zeit geriet der ICC verstärkt ins Licht der internationalen Öffentlichkeit, etwa durch Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine nach der russischen Invasion 2022 oder zu mutmaßlichen Verbrechen in Palästina. Diese Fälle zeigen die politische Brisanz der Arbeit des Gerichtshofs.

Trotz aller Kritik ist der ICC ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des internationalen Strafrechts. Er baut auf den Erfahrungen früherer Ad-hoc-Tribunale wie dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und dem für Ruanda (ICTR) auf, deren zeitlich begrenzte Mandate die Grundlage für die Idee eines ständigen Gerichtshofs bildeten. Er stellt einen Versuch dar, der Straflosigkeit für schwerste Menschenrechtsverbrechen ein Ende zu setzen und den Grundsatz der individuellen strafrechtlichen Verantwortung weltweit zu etablieren. In einer zunehmend multipolaren Weltordnung bleibt seine Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und Effizienz jedoch eine ständige Herausforderung.

Meine Quellen:


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