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Gegen Rechts. Gegen Links. Gegen Umfragewerte.

Eine Reise durch das politische Niemandsland mit Deutschlands traditionsreichster Selbsthilfegruppe: der SPD.

Es war einmal eine Partei. Nein, nicht irgendeine, sondern die Partei. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands – jene politische Urgroßmutter mit Dutt und Klassenkampf im Herzen, die einst Bismarck das Fürchten lehrte, sich später mit Schröder die Haare färbte und heute mit Olaf Scholz oder Lars Klingbeil schweigend am Rand einer Talkshow sitzt, während Markus Lanz ihn mit der Energie eines überzuckerten Grundschülers befragt. Willkommen im Niemandsland der Mitte.

Hier, zwischen den schwelenden Ruinen der Agenda 2010 und dem glitzernden Zukunftsversprechen des progressiven Kevin Kühnert, sitzt die SPD wie ein verwirrter Tourist im eigenen Land. Mit dem linken Auge schaut sie sehnsüchtig zurück in eine Zeit, als man noch Arbeiterführer war, mit dem rechten starrt sie panisch auf die neuesten Forsa-Zahlen. Und mit dem dritten Auge – ein rein symbolisches Organ, hervorgebracht durch jahrzehntelanges Koalitionstrauma – sieht sie: nichts. Nur Nebel.

Olaf Scholz, der Mann, der mit seiner charismatischen Ausdrucksstärke ungefähr so viel Aufsehen erregt wie ein eingeschlafener Aktenordner, Lars Klingbeil und auch Saskia Eskens führten diese Partei in das Herz der Unentschlossenheit. Ein Kanzler, dessen größte rhetorische Leistung darin bestand, in Interviews so zu sprechen, dass man nach drei Minuten vergessen hat, was man überhaupt wissen wollte. In einer Zeit, in der politische Positionierung über Hashtags und Empörung funktioniert, antwortet Scholz mit „ähm“ und „Sie müssen verstehen, dass ich das so nicht sagen kann“.

Der Versuch, sich zur politischen Mitte zu bekennen, hat die SPD zu einer Art Ikea-Möbelstück gemacht: Viele Teile, die irgendwie zusammengehören, aber niemand weiß mehr genau wie. Der rechte Flügel, nostalgisch verklärt in die Agenda-Zeit, träumt von einer neuen Schröder-Dynastie, diesmal mit weniger Gazprom und mehr Wärmepumpe. Der linke Flügel wiederum, personifiziert durch Kevin Kühnert, träumt von Enteignungen, als hätte er im Monopoly-Spiel die Schlossallee verloren und wolle nun das ganze Spielbrett verstaatlichen.

Dazwischen irrt die Parteibasis umher wie auf einer schlecht beleuchteten Parteitagsbühne. Jeder redet von Aufbruch, Erneuerung und Visionen – Worte, die in der SPD mittlerweile ungefähr so häufig verwendet werden wie in einer astrologischen Beratungshotline. Nur, dass letztere wenigstens eine klare Zukunftsperspektive liefert.

Doch was ist eigentlich diese Mitte, die alle suchen? Früher war das vielleicht der Ort, an dem man Kompromisse machte. Heute ist es der Ort, an dem man weder rechts noch links sein will – sondern möglichst unsichtbar. In Zeiten, in denen politische Parteien durch klare Identitäten glänzen (grün = Klima, FDP = Wirtschaft, CDU = Merkel ohne Merkel), präsentiert sich die SPD als die Partei der freundlichen Verwirrung. Man ist gegen Rechts. Gegen Links. Gegen alles, was mehr als fünf Prozent Unterschied bei INSA bedeutet.

Der Wahlkampf? Ein trüber Fernsehspot, in dem Olaf Scholz mit ernstem Gesichtsausdruck in die Kamera schaut und sagte: „Wir müssen gemeinsam... also... das, was notwendig ist... also Sie wissen schon.“ Ende. Standing Ovations in der Parteizentrale, denn er hat immerhin nichts Falsches gesagt.

Manchmal fragt man sich: Gibt es noch jemanden in der SPD, der wirklich etwas will? Also so richtig, mit Überzeugung und Haltung? Oder ist das Parteiprogramm mittlerweile eine Art politisches Sudoku: möglichst viele Kästchen ausfüllen, ohne dass es jemandem auffällt, wenn’s am Ende nicht ganz aufgeht?

Ein weiteres Highlight auf dieser Reise durchs Niemandsland: das Kapitel „Wir waren mal wer“. Ein melancholischer Rückblick auf Zeiten, in denen Willy Brandt mit seinem Kniefall Geschichte schrieb, statt wie heute ein Kevin Kühnert mit seiner Kritik am Immobilienmarkt die Kommentarspalten von T-Online zu füllen. Die glorreichen Tage, als sozialdemokratische Ideen noch Wahlen gewannen und nicht bloß in Podcasts wiederholt wurden, weil man sonst keinen Sendeslot bekommt.

Aber es wäre nicht fair, die SPD nur zu kritisieren. Schließlich tut sie alles, um relevant zu bleiben. Sie hat ein neues Logo. Sie hat ein neues Parteibuch-Design. Sie hat sogar eine TikTok-Strategie (angeblich). Und irgendwo in einem schlecht belüfteten Büro in Berlin-Mitte sitzt wahrscheinlich gerade jemand, der den Satz formuliert: „Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind.“

Nur dass niemand so genau weiß, wo die Menschen eigentlich sind. Die einen sind zu den Grünen übergelaufen, weil sie den Planeten retten wollen. Die anderen zur CDU, weil sie Angst vor Wärmepumpen haben. Und wieder andere zur AfD, weil sie in der SPD niemand mehr zurückrufen wollte.

Am Ende bleibt die SPD wie ein nostalgischer Plattenladen in einer Fußgängerzone voller Streamingdienste. Man kennt sie, man respektiert sie irgendwie, aber kaufen tut dort keiner mehr was. Vielleicht, weil die alten Hits zu oft gespielt wurden. Vielleicht, weil das neue Album einfach nicht zündet. Oder vielleicht, weil man sich einfach nicht mehr entscheiden kann, ob man lieber Schlager, Punk oder Smooth Jazz sein will.

Und so zieht sie weiter, die Partei der sozialdemokratischen Suchenden. Immer auf der Suche nach der Mitte. Immer in der Hoffnung, dass irgendjemand plötzlich ruft: „Da ist sie! Da ist die Mitte! Gleich hinter dem Bundeskanzleramt, links von der Vernunft und rechts vom Zeitgeist!“

Bis dahin bleibt die SPD, was sie heute ist: eine Partei mit Vergangenheit.


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