Direkt zum Hauptbereich

Woodstock 1969: Wie ein Musikfestival zum Symbol einer Generation und des gesellschaftlichen Aufbruchs wurde

Vor 56 Jahren, am 15. August 1969, verwandelte sich eine Farm im kleinen Bethel, New York, in den Mittelpunkt einer ganzen Generation. Eigentlich sollte es ein ordentlich geplantes Festival für 50.000 Menschen werden. Am Ende strömten rund 400.000 herbei – viele ohne Ticket, aber mit Rucksäcken voller Hoffnungen: auf Musik, Freiheit und die Vision einer neuen Gesellschaft.

Ich war neun. Sommerferien. Die Tage rochen nach warmem Asphalt, frisch gemähtem Rasen und diesem ganz besonderen Staub, der in der Luft hängt, wenn es tagelang nicht geregnet hat. Englisch? Kaum mehr als ein paar Wörter aus dem Schulbuch. Aber dann erzählten die Großen von etwas, das in Amerika passierte. Woodstock. Sie sagten es so, als wäre es ein geheimes Zauberwort. „Das muss man gesehen haben!“

Also gingen wir zu Jürgen. Seine Eltern waren weg – das war wie ein Freifahrtschein ins Abenteuer. Wir setzten uns ins Wohnzimmer, wo dieser riesige Fernseher stand, so ein Kasten mit dicken Drehknöpfen. Am nächsten Tag, Westdeutscher Rundfunk, knapp zwei Stunden Woodstock, schwarz-weiß. Ich erinnere mich an das Summen, bevor das Bild kam, und daran, wie wir alle kurz still wurden, als es losging.

Ich verstand kein Wort. Aber ich sah Jimi Hendrix, wie er seine Gitarre spielte, als würde er mit ihr sprechen. Janis Joplin, die sang, als würde sie gleich zerbrechen und gleichzeitig die Welt umarmen. Joan Baez, die irgendwie leuchtete, auch ohne Farbe. Menschen, so viele, dass sie wie ein Meer aussahen, tanzten im Regen. Manche hielten sich an den Händen, andere lagen einfach im Schlamm und lachten.

Ich wusste nicht, warum sie da waren. Wusste nichts von Kriegen oder Protesten. Aber irgendetwas in mir wusste: Das hier ist wichtig. Das hier gehört zu dieser Welt, und diese Welt ist plötzlich größer, als ich dachte.

Dass es dort gestunken haben muss, dass es kaum Toiletten gab oder genug zu essen – davon habe ich erst Jahre später erfahren. Damals sah ich nur Freude. Und hörte Musik, die ich nicht verstand, aber die sich trotzdem wie ein Versprechen anfühlte.

Heute ist es, als hätte ich damals einen Blick in ein anderes Leben geworfen. Ein Leben, in dem Menschen glaubten, dass Musik und Miteinander die Welt verändern können. Vielleicht war das nur ein Kindertraum. Aber er hat sich tief festgesetzt. Und manchmal – wenn ein bestimmter Akkord erklingt – bin ich wieder dort, vor dem flackernden Schwarz-Weiß-Bildschirm, neun Jahre alt, und die Welt ist voller Möglichkeiten.

Creative Commons Lizenz
🔗 Hinweis für Redaktionen und Blogbetreiber:
Wenn Sie diesen Beitrag informativ finden, dürfen Sie ihn gerne zitieren oder verlinken.
Ich freue mich über jede Weiterverbreitung und sachliche Diskussion.

⚖️ Bitte geben Sie bei Übernahme die Quelle an: meinekommentare.blogspot.com

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mit Vollgas in die Bedeutungslosigkeit – Der Bundesparteitag der SPD, Juni 2025

Vom 27. bis 29. Juni 2025 versammelt sich die SPD in einer Halle irgendwo zwischen pragmatischer Verzweiflung und nostalgischem Sozialdemokratieschmerz zum Bundesparteitag. Man nennt es ein "Zusammenkommen", obwohl der innere Zustand der Partei eher an einen Stuhlkreis mit Flipchart erinnert, auf dem in roter Filzschrift steht: "Wir schaffen das – irgendwann". Thema des Parteitags: "Zukunft gestalten" – was ungefähr so viel Substanz hat wie ein feuchter Toast mit Aufdruck "Mut zur Mitte". Der Parteivorstand wird vermutlich mit PowerPoint-Präsentationen versuchen, dem Parteivolk zu erklären, warum 14% in den Umfragen ein Erfolg sind und wie man das als Mandat zur Regierungsführung deuten könnte. Olaf Scholz, der immer noch wirkt wie ein humanoider Ausdruck eines Behördenschreibens aus den 90ern, wird mit Lars Klingbeil ein "Zeichen der Erneuerung" setzen, indem er exakt dasselbe sagt wie 2021, nur diesmal mit leicht verzweifeltem Augenau...

Braucht Deutschland einen Veteranentag?

Deutschland hat jetzt also tatsächlich einen Veteranentag eingeführt. Wunderbar. Nur 80 Jahre nach Kriegsende, man will sich ja nicht hetzen. Seit 2025 begeht Deutschland nun offiziell einen Veteranentag – jedes Jahr am 15. Juni oder am davorliegenden Wochenende. Ein historischer Schritt in einem Land, das sich schwer damit tut, sein Verhältnis zum Militär neu zu denken. Doch so richtig angekommen ist dieser Tag in der gesellschaftlichen Mitte noch nicht. Der Veteranentag soll Soldatinnen und Soldaten würdigen, die in Auslandseinsätzen gedient haben – als Anerkennung für ihre oft übersehene Leistung.  Doch statt Applaus herrscht vielerorts Achselzucken. Der Begriff „Veteran“ klingt für viele Deutsche noch immer nach amerikanischem Pathos, nach Kriegsverherrlichung, nicht nach Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Die Frage ist also nicht mehr,  ob  Deutschland einen Veteranentag braucht – sondern  wie  es diesen Tag mit Inhalt füllt. Ein Veteranentag da...

"Stolzmonat" als rechte Hetzkampagne gegen den Pride Month

  Gestern endete der Juni, weltweit als Pride Month bekannt – ein Monat, in dem queere Menschen ihre Identität feiern, Sichtbarkeit fordern und gegen Diskriminierung demonstrieren. Mit Paraden, kulturellen Veranstaltungen und politischen Aktionen erinnern LGBTQIA+-Gemeinschaften und ihre Unterstützer an die Stonewall-Aufstände von 1969 in New York – ein Wendepunkt im Kampf für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Doch seit einigen Jahren wird der Pride Month gezielt von rechtspopulistischen und extrem rechten Akteuren angegriffen. Eine besonders perfide Strategie rechtsextremer und rechtspopulistischer Akteure ist die Erfindung eines sogenannten „Stolzmonats“ (englisch: "Straight Pride Month"), der als vermeintlich gleichwertiges Gegenstück zum Pride Month inszeniert wird. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich jedoch eine gezielte homofeindliche Kampagne, die in ideologischer Nähe zu kulturkämpferischen, autoritär geprägten Weltbildern steht und bewusst d...