Direkt zum Hauptbereich

aus der Geschichte: Die Internationale – Geschichte, Bedeutung und Wirkung einer Arbeiterhymne


"Die Internationale" ist eines der bekanntesten Lieder der internationalen Arbeiterbewegung und wurde im Laufe der Zeit zu einer Hymne für Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten und andere linke Bewegungen weltweit. Ihr Ursprung liegt im 19. Jahrhundert, einer Zeit tiefgreifender politischer und sozialer Umbrüche.

Der Text von "Die Internationale" wurde 1871 von Eugène Pottier (1816–1887), einem französischen Kommunarden und Mitglied der Pariser Kommune, als Gedicht verfasst. Die Pariser Kommune, die vom 18. März bis 28. Mai 1871 existierte, gilt als eines der frühesten Beispiele einer Arbeiterregierung. Nach der blutigen Niederschlagung der Kommune durch französische Regierungstruppen verfasste Pottier das Gedicht als Ausdruck revolutionären Geists und als Appell an die Solidarität der unterdrückten Klassen.

Die Vertonung des Textes erfolgte erst 1888 durch den belgischen Arbeiterkomponisten Pierre De Geyter (1848–1932), der in Lille lebte. Die Melodie ist kraftvoll, eingängig und einfach zu singen – ein entscheidender Faktor für die weite Verbreitung des Liedes in der Arbeiterbewegung.

Die ursprüngliche französische Fassung beginnt mit den Worten:

"Debout! les damnés de la terre! / Debout! les forçats de la faim!"

(„Auf, Verdammte dieser Erde! / Auf, Sklaven, von Hunger genährt!“)

Die deutsche Übersetzung – unter anderem durch Franz Diederich (1865–1936) geprägt – bewahrt die kämpferische, revolutionäre Rhetorik:

"Wacht auf, Verdammte dieser Erde, / die stets man noch zum Hungern zwingt."

Zentrale Themen des Liedes sind:

  • Die Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung

  • Der Kampf für soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität

  • Der Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft

"Die Internationale" wurde rasch in viele Sprachen übersetzt und entwickelte sich zur verbindenden Hymne der internationalen Arbeiterbewegung. Ihre Funktion war nicht nur musikalisch, sondern auch symbolisch: Sie stiftete Identität, stärkte den Gemeinschaftssinn und mobilisierte zur politischen Aktion.

Im 20. Jahrhundert wurde sie zur offiziellen Hymne der Kommunistischen Internationale (Komintern) und nach der Oktoberrevolution 1917 zeitweise auch Nationalhymne der Sowjetunion (bis 1944). Auch sozialistische Parteien in Westeuropa – darunter die SPD – verwendeten sie, insbesondere zu feierlichen Anlässen wie dem Ersten Mai oder Parteitagen.

Obwohl das Lied ein Ausdruck der internationalen Solidarität war, wurde es im Laufe des 20. Jahrhunderts auch kritisch betrachtet. Insbesondere in totalitären Regimen, die sich auf die Arbeiterbewegung beriefen, wurde es als Propagandainstrument genutzt. Kritiker wiesen darauf hin, dass der revolutionäre Pathos des Liedes auch für antidemokratische Zwecke vereinnahmt werden konnte.

Trotzdem bleibt "Die Internationale" bis heute ein machtvolles Symbol für soziale Gerechtigkeit und Arbeiterrechte. In Zeiten neuer sozialer Bewegungen und ökonomischer Ungleichheit erlebt das Lied mitunter Neuinterpretationen – sowohl musikalisch als auch politisch.

Heute wird "Die Internationale" in linken und gewerkschaftlichen Zusammenhängen weiterhin gesungen – oft als Ausdruck historischer Kontinuität und politischer Überzeugung. In einer Zeit globaler Herausforderungen bleibt der Gedanke der internationalen Solidarität aktuell: Der Text mahnt zur Einheit über nationale Grenzen hinweg und zum Engagement für eine gerechtere Welt.

Creative Commons Lizenz
🔗 Hinweis für Redaktionen und Blogbetreiber:
Wenn Sie diesen Beitrag informativ finden, dürfen Sie ihn gerne zitieren oder verlinken.
Ich freue mich über jede Weiterverbreitung und sachliche Diskussion.

⚖️ Bitte geben Sie bei Übernahme die Quelle an:
meinekommentare.blogspot.com

📚 Bücher von Ralf Schönert

Jetzt erhältlich bei diesen Buchhandlungen. Alles sinnvolle Alternativen zum großen Onlineriesen. #buyfromEU

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mit Vollgas in die Bedeutungslosigkeit – Der Bundesparteitag der SPD, Juni 2025

Vom 27. bis 29. Juni 2025 versammelt sich die SPD in einer Halle irgendwo zwischen pragmatischer Verzweiflung und nostalgischem Sozialdemokratieschmerz zum Bundesparteitag. Man nennt es ein "Zusammenkommen", obwohl der innere Zustand der Partei eher an einen Stuhlkreis mit Flipchart erinnert, auf dem in roter Filzschrift steht: "Wir schaffen das – irgendwann". Thema des Parteitags: "Zukunft gestalten" – was ungefähr so viel Substanz hat wie ein feuchter Toast mit Aufdruck "Mut zur Mitte". Der Parteivorstand wird vermutlich mit PowerPoint-Präsentationen versuchen, dem Parteivolk zu erklären, warum 14% in den Umfragen ein Erfolg sind und wie man das als Mandat zur Regierungsführung deuten könnte. Olaf Scholz, der immer noch wirkt wie ein humanoider Ausdruck eines Behördenschreibens aus den 90ern, wird mit Lars Klingbeil ein "Zeichen der Erneuerung" setzen, indem er exakt dasselbe sagt wie 2021, nur diesmal mit leicht verzweifeltem Augenau...

"Stolzmonat" als rechte Hetzkampagne gegen den Pride Month

  Gestern endete der Juni, weltweit als Pride Month bekannt – ein Monat, in dem queere Menschen ihre Identität feiern, Sichtbarkeit fordern und gegen Diskriminierung demonstrieren. Mit Paraden, kulturellen Veranstaltungen und politischen Aktionen erinnern LGBTQIA+-Gemeinschaften und ihre Unterstützer an die Stonewall-Aufstände von 1969 in New York – ein Wendepunkt im Kampf für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Doch seit einigen Jahren wird der Pride Month gezielt von rechtspopulistischen und extrem rechten Akteuren angegriffen. Eine besonders perfide Strategie rechtsextremer und rechtspopulistischer Akteure ist die Erfindung eines sogenannten „Stolzmonats“ (englisch: "Straight Pride Month"), der als vermeintlich gleichwertiges Gegenstück zum Pride Month inszeniert wird. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich jedoch eine gezielte homofeindliche Kampagne, die in ideologischer Nähe zu kulturkämpferischen, autoritär geprägten Weltbildern steht und bewusst d...

Braucht Deutschland einen Veteranentag?

Deutschland hat jetzt also tatsächlich einen Veteranentag eingeführt. Wunderbar. Nur 80 Jahre nach Kriegsende, man will sich ja nicht hetzen. Seit 2025 begeht Deutschland nun offiziell einen Veteranentag – jedes Jahr am 15. Juni oder am davorliegenden Wochenende. Ein historischer Schritt in einem Land, das sich schwer damit tut, sein Verhältnis zum Militär neu zu denken. Doch so richtig angekommen ist dieser Tag in der gesellschaftlichen Mitte noch nicht. Der Veteranentag soll Soldatinnen und Soldaten würdigen, die in Auslandseinsätzen gedient haben – als Anerkennung für ihre oft übersehene Leistung.  Doch statt Applaus herrscht vielerorts Achselzucken. Der Begriff „Veteran“ klingt für viele Deutsche noch immer nach amerikanischem Pathos, nach Kriegsverherrlichung, nicht nach Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Die Frage ist also nicht mehr,  ob  Deutschland einen Veteranentag braucht – sondern  wie  es diesen Tag mit Inhalt füllt. Ein Veteranentag da...