Direkt zum Hauptbereich

aus der Geschichte: Abschaffung der Adelstitel in Preussen


Die Abschaffung der Adelstitel in Preußen stellt einen markanten Wendepunkt in der deutschen Geschichte dar, der weit über bloß formale Namensänderungen hinausging. Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 wurde in Artikel 109 festgelegt, dass "Adelsbezeichnungen nur als Teil des Namens gelten und nicht mehr verliehen werden" dürfen. Damit endete in Preußen und im gesamten Deutschen Reich die rechtliche Sonderstellung des Adels, die zuvor in vielfacher Hinsicht mit Privilegien, sozialer Vorrangstellung und symbolischer Macht verbunden gewesen war. Dieser Schritt war ein bewusster Bruch mit der monarchischen Tradition des Kaiserreichs und ein Ausdruck der republikanischen Neugestaltung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg. Die Entscheidung war nicht bloß ein Akt der Gleichstellung vor dem Gesetz, sondern auch ein kulturpolitisches Signal: Der Staat erkannte keine gesellschaftliche Hierarchie mehr an, die sich auf Geburt und Stand begründen ließ. Gleichwohl war die Abschaffung der Adelstitel kein vollständiger Bruch mit der Vergangenheit. Die bisherigen Adelstitel wurden als Namensbestandteile weitergeführt, was dazu führte, dass das "von" oder "Freiherr" nun lediglich Teil des bürgerlichen Namens war, ohne rechtliche Bedeutung oder Vorteile. Das führte zu einer paradoxen Situation, in der die gesellschaftliche Wirkung des Adels teilweise fortbestand, obwohl die rechtliche Grundlage entzogen worden war. Besonders in konservativen Kreisen Preußens und in Teilen der Verwaltung blieb die aristokratische Herkunft noch lange Zeit ein impliziter Statusvorteil. Dennoch markierte die Weimarer Regelung einen fundamentalen Wandel in der sozialen Struktur: Erstmals war das Ideal der Chancengleichheit gesetzlich verankert. Die Abschaffung der Adelstitel war damit auch ein Element der Demokratisierung und ein Symbol für die angestrebte soziale Durchlässigkeit der Republik. Die Reaktion der betroffenen Adelsfamilien reichte von stiller Resignation bis zu offenen Protesten, wobei manche versuchten, ihren gesellschaftlichen Einfluss durch andere Mittel wie Heiratsstrategien, wirtschaftliche Netzwerke oder kulturelles Kapital zu bewahren. Insgesamt zeigt sich am Beispiel Preußens exemplarisch, wie tiefgreifend politische Umbrücke auch in symbolischer und kultureller Hinsicht wirken können, wenn sich ein Staatswesen von einer ständisch geprägten Ordnung hin zu einem demokratischen Prinzip entwickelt.

Creative Commons Lizenz
🔗 Hinweis für Redaktionen und Blogbetreiber:
Wenn Sie diesen Beitrag informativ finden, dürfen Sie ihn gerne zitieren oder verlinken.
Ich freue mich über jede Weiterverbreitung und sachliche Diskussion.

⚖️ Bitte geben Sie bei Übernahme die Quelle an: meinekommentare.blogspot.com

Bücher von Ralf Schönert

Jetzt erhältlich bei diesen Buchhandlungen. Alles sinnvolle Alternativen zum großen Onlineriesen. #buyfromEU:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Europa liebt Trump. Solange es WLAN und Cheeseburger gibt

Fangen wir mit dem Elefanten im Raum an: dem orangenen in Washington. Die Erzählung, dass Trump „eine innere Angelegenheit der USA“ sei, ist niedlich. So wie zu glauben, ein Hausbrand im Nachbarhaus ginge dich nichts an, weil „es ja deren Wohnzimmer ist“. Für Europa ist Trump aus mehreren Gründen tödlich unpraktisch: Sicherheits- und Bündnispolitik : Ein US-Präsident, der NATO wie ein Netflix-Abo behandelt („Nutze ich das wirklich genug?“), ist für Europa ungefähr so beruhigend wie ein ausgelaufener Tanklastwagen vor der Haustür. Klimapolitik : Während Europa sich mühsam an Klimaziele klammert, bläst ein trumpistisches Amerika fröhlich CO₂ in die Luft und erklärt den Klimawandel zur Meinungssache. Ist auch klar: Die Atmosphäre kennt bekanntlich Landesgrenzen. Genau wie WLAN. Rechtsruck als Exportgut : Trumpismus ist nicht einfach US-Innenpolitik, er ist Markenware. Ein Franchise für autoritäre Ego-Showpolitik, das sich in Europa bestens verkauft – von Orbán über Le Pen bis z...

Schwarze Löcher - Die CDU im Jahre 2025 – Eine Reise ins konservative Niemandsland

Noch ist es 2025. Friedrich Merz steht immer noch an der Spitze der CDU, oder sagen wir lieber: Er sitzt da, wie ein Chefarzt auf einer Station, auf der nur noch Placebos verteilt werden. Der Mann, der einst versprach, die Partei „zu alter Stärke“ zurückzuführen, steht nun mit einem Bein im Faxgerät und dem anderen im Aktienportfolio. Die CDU, das ist jetzt nicht mehr die „Partei der Mitte“, sondern eher der Parteitag der Mitte-Links-gegen-Mitte-Rechts-gegen-Mitte-Mitte. Merz selbst wirkt wie ein schlecht gelaunter Sparkassenberater, der dem Land erklärt, warum es gut ist, wenn keiner mehr weiß, wofür die CDU steht. Die „neue Klarheit“ besteht vor allem aus nostalgischem Nebel und neoliberaler Schonkost. Im Bundestag murmelt man inzwischen ehrfürchtig, die CDU wolle wieder „regierungsfähig“ werden. Das ist süß. Wie ein Vierjähriger, der behauptet, er werde Astronaut – obwohl er panische Angst vor der Badewanne hat. Merz ruft nach Ordnung, Leistung und Eigenverantwortung – also allem,...

Die Mitte-Studie 2024/25 der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)

Die gesamte Studie (428 Seiten) kann hier heruntergladen werden! 1. Ziel der Studie Die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wird seit 2006 regelmäßig durchgeführt, um Einstellungen, Werte und politische Orientierungen in der gesellschaftlichen „Mitte“ zu erfassen. Die Ausgabe 2024/25 steht unter dem Titel „Die angespannte Mitte“ und untersucht, inwieweit sich rechtsextreme und menschenfeindliche Einstellungen in der gesellschaftlichen Mitte verfestigt und normalisiert haben. Die Studie wurde im Frühjahr/Sommer 2025 durchgeführt, in einer Zeit politischer und sozialer Umbrüche: Nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland erzielte die AfD Rekordergebnisse, das Bündnis Sahra Wagenknecht trat neu auf, der Krieg in der Ukraine und der Nahostkonflikt belasteten Europa, während die Rückkehr Donald Trumps in das US-Präsidentenamt globale Unsicherheit verstärkte. Diese Umstände bildeten den gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem die Wahrnehmung von Demokratie, Gerechtigkeit und Z...