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SPD zwischen Solidarität und Völkerrecht – ein riskanter Spagat



Mein Kommentar zum Artikel im "Vorwärts" vom 23.7.2025:

Es ist ein Schritt, der in der aktuellen Debatte über die deutsche Nahostpolitik für Aufsehen sorgt: Die SPD-Fraktion fordert von der Bundesregierung eine klarere Haltung gegenüber Israel – notfalls sogar einen Stopp von Waffenlieferungen, wenn diese völkerrechtswidrig eingesetzt werden.

Matthias Miersch, einer der prägenden Köpfe hinter dieser Forderung, formuliert, was viele Beobachter empfinden: Deutschlands historische Verantwortung für das Existenzrecht Israels steht nicht im Widerspruch zu internationalen Rechtsnormen und dem Schutz der palästinensischen Bevölkerung. Im Gegenteil – beides gehört zusammen, wenn Deutschland moralisch glaubwürdig bleiben will.


Ein Balanceakt innerhalb der Politik

Die Forderungen der SPD sind nicht frei von innerparteilichen Spannungen. Olaf Scholz und CDU-Außenpolitiker Wadephul betonen die unerschütterliche Solidarität mit Israel als Kern der deutschen Außenpolitik. Gleichzeitig drängen SPD-Politiker wie Miersch, Ahmetović und Mützenich darauf, das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza nicht länger auszublenden.

Die dramatischen Berichte aus Gaza – Hunger, zerstörte Infrastruktur, humanitäre Katastrophen – sind kaum zu ignorieren. Kann Deutschland glaubwürdig von „doppelten Standards“ sprechen, wenn es bei Israel mit zweierlei Maß misst?


Kritik und Gegenstimmen

Die CDU reagiert erwartungsgemäß mit Ablehnung. Wadephul hebt die „Parteilichkeit“ Deutschlands zugunsten Israels hervor, was fast wie ein programmatischer Leitsatz wirkt. Ja, Israel ist durch Hamas, Hisbollah und den Iran bedroht. Aber beantwortet das die Frage, wie man das Leid der Zivilbevölkerung mildern kann, ohne Israels Sicherheit zu gefährden?

Auch von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft kommt Kritik. Volker Beck warnt vor einer „Einseitigkeit“ und davor, humanitäre Anliegen mit Sicherheitspolitik zu vermischen. Ein nachvollziehbarer Einwand. Doch ist die SPD-Position wirklich einseitig? Oder ist sie vielmehr der Versuch, ein moralisches Gleichgewicht zu schaffen, bei dem das Leid der Zivilisten nicht untergeht?


Was will die SPD erreichen?

Die Bundesregierung gibt sich derweil geschlossen. Kanzler Friedrich Merz betont, dass die SPD-Grundsätze sich nicht grundlegend von den bestehenden Positionen unterscheiden. Dennoch wirkt es so, als wolle die SPD eigene Akzente setzen – ein politisches Profil zwischen Solidarität mit Israel und Empathie für die Palästinenser.


Tabubruch oder notwendige Debatte?

Die SPD stößt hier eine Diskussion an, die in Deutschland lange als Tabu galt: Kann man Israels Existenzrecht und Sicherheitsbedürfnisse respektieren und gleichzeitig deutliche Kritik an militärischem Vorgehen üben?

Eine schwierige, aber notwendige Frage. Denn wer Menschenrechte universell verteidigt, kann keine Ausnahmen machen – auch nicht bei engen Partnern. Ob die SPD mit ihrem Vorstoß politischen Erfolg haben wird, bleibt offen. Eines ist jedoch sicher: Moralische Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Schweigen, sondern durch klare und auch unbequeme Positionen.

Und wie siehst du das?

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