Direkt zum Hauptbereich

Meine Gedanken zum Bericht "Don't Try This at Home – Exporting Sweden's Neoliberal Welfare Experiment"

Warnung an die deutsche Sozialdemokratie

Verfasserinnen: Lisa Pelling und Mia Laurén
Herausgeber: Friedrich-Ebert-Stiftung
Veröffentlichung: Januar 2025

Das Original kann hier heruntergeladen werden: https://library.fes.de/pdf-files/bueros/stockholm/21978.pdf

Der Bericht "Don't Try This at Home" warnt deutsche Entscheidungsträger vor der Übernahme des schwedischen Modells der Wohlfahrtsprivatisierung. Er analysiert die seit den 1990er-Jahren in Schweden vorangetriebene Marktöffnung im Sozialstaat, die zu einem grundlegenden Umbau des Wohlfahrtsmodells führte. Besonders das Gutscheinmodell beeinflusste Bildung, Gesundheit und soziale Dienste. Die Qualität stieg nicht, Kosten und Ungleichheiten hingegen schon. Schwedische Anbieter exportieren diese Modelle gezielt nach Deutschland, etwa im Bereich frühkindliche Bildung und digitaler Gesundheitsversorgung.

Im Bildungsbereich werden sinkende Leistungen, soziale Spaltung und das Wachstum privater Schulträger kritisiert. Die Gesundheitsversorgung ist stark digitalisiert und marktorientiert. In der Pflege kam es zu prekären Arbeitsbedingungen, was sich in der Covid-19-Pandemie besonders negativ auswirkte. Auch die Arbeitsvermittlung wurde privatisiert – laut Bericht ineffizient. Es gibt Hinweise auf Kriminalitätsinfiltration im privaten Sektor. Zudem nehmen Lobbyismus und ökonomischer Einfluss auf politische Prozesse stark zu.

Der Bericht sieht auch für Deutschland Risiken: Kita- und Lehrkräftemangel, digitale Versorgungslücken und politische Offenheit für Technologielösungen könnten ähnliche Entwicklungen begünstigen. Die Verfasserinnen kritisieren das idealisierte Bild des skandinavischen Modells, das zur Vermarktung neoliberaler Angebote genutzt werde.

Privatisierungsargumente wie Effizienz und Wahlfreiheit hält der Bericht für unbelegt oder irreführend. Gleichstellungsrhetorik werde instrumentalisiert, ohne echte Verbesserungen zu erzielen. Investoren und Private Equity verdrängen gemeinwohlorientierte Träger.

Der Bericht endet mit einem Appell: Deutschland solle keine schwedischen Marktmodelle übernehmen. Stattdessen sollten gemeinnützige Anbieter gestärkt, Gleichheit und Bedürfnisgerechtigkeit betont und politische Verantwortung verteidigt werden.

Die Analyse ist faktenreich, jedoch klar politisch positioniert. Ihre Stärke liegt in der systematischen Darstellung der Entwicklungen. Als weiterführende Quellen nennt der Bericht u. a. OECD-Berichte, Werke von Esping-Andersen und Friedman sowie Medienanalysen.












Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mit Vollgas in die Bedeutungslosigkeit – Der Bundesparteitag der SPD, Juni 2025

Vom 27. bis 29. Juni 2025 versammelt sich die SPD in einer Halle irgendwo zwischen pragmatischer Verzweiflung und nostalgischem Sozialdemokratieschmerz zum Bundesparteitag. Man nennt es ein "Zusammenkommen", obwohl der innere Zustand der Partei eher an einen Stuhlkreis mit Flipchart erinnert, auf dem in roter Filzschrift steht: "Wir schaffen das – irgendwann". Thema des Parteitags: "Zukunft gestalten" – was ungefähr so viel Substanz hat wie ein feuchter Toast mit Aufdruck "Mut zur Mitte". Der Parteivorstand wird vermutlich mit PowerPoint-Präsentationen versuchen, dem Parteivolk zu erklären, warum 14% in den Umfragen ein Erfolg sind und wie man das als Mandat zur Regierungsführung deuten könnte. Olaf Scholz, der immer noch wirkt wie ein humanoider Ausdruck eines Behördenschreibens aus den 90ern, wird mit Lars Klingbeil ein "Zeichen der Erneuerung" setzen, indem er exakt dasselbe sagt wie 2021, nur diesmal mit leicht verzweifeltem Augenau...

Braucht Deutschland einen Veteranentag?

Deutschland hat jetzt also tatsächlich einen Veteranentag eingeführt. Wunderbar. Nur 80 Jahre nach Kriegsende, man will sich ja nicht hetzen. Seit 2025 begeht Deutschland nun offiziell einen Veteranentag – jedes Jahr am 15. Juni oder am davorliegenden Wochenende. Ein historischer Schritt in einem Land, das sich schwer damit tut, sein Verhältnis zum Militär neu zu denken. Doch so richtig angekommen ist dieser Tag in der gesellschaftlichen Mitte noch nicht. Der Veteranentag soll Soldatinnen und Soldaten würdigen, die in Auslandseinsätzen gedient haben – als Anerkennung für ihre oft übersehene Leistung.  Doch statt Applaus herrscht vielerorts Achselzucken. Der Begriff „Veteran“ klingt für viele Deutsche noch immer nach amerikanischem Pathos, nach Kriegsverherrlichung, nicht nach Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Die Frage ist also nicht mehr,  ob  Deutschland einen Veteranentag braucht – sondern  wie  es diesen Tag mit Inhalt füllt. Ein Veteranentag da...

"Stolzmonat" als rechte Hetzkampagne gegen den Pride Month

  Gestern endete der Juni, weltweit als Pride Month bekannt – ein Monat, in dem queere Menschen ihre Identität feiern, Sichtbarkeit fordern und gegen Diskriminierung demonstrieren. Mit Paraden, kulturellen Veranstaltungen und politischen Aktionen erinnern LGBTQIA+-Gemeinschaften und ihre Unterstützer an die Stonewall-Aufstände von 1969 in New York – ein Wendepunkt im Kampf für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Doch seit einigen Jahren wird der Pride Month gezielt von rechtspopulistischen und extrem rechten Akteuren angegriffen. Eine besonders perfide Strategie rechtsextremer und rechtspopulistischer Akteure ist die Erfindung eines sogenannten „Stolzmonats“ (englisch: "Straight Pride Month"), der als vermeintlich gleichwertiges Gegenstück zum Pride Month inszeniert wird. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich jedoch eine gezielte homofeindliche Kampagne, die in ideologischer Nähe zu kulturkämpferischen, autoritär geprägten Weltbildern steht und bewusst d...