Am 7. Juli 1933 erlebte die Weimarer Demokratie einen ihrer letzten, folgenschweren Tiefschläge: Mit der sogenannten „Verordnung zur Sicherung der Staatsführung“ ordnete der nationalsozialistische Reichsinnenminister Wilhelm Frick die sofortige Aufhebung aller Mandate der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) an – im Reichstag, in den Landtagen und in den kommunalen Vertretungen. Dieser Schritt bedeutete nicht nur die faktische Ausschaltung der bedeutendsten Oppositionspartei, sondern war ein entscheidendes Etappenstück in der vollständigen Ausschaltung parlamentarischer Kontrolle und damit in der Errichtung der NS-Diktatur.
Die Verordnung war eingebettet in eine Serie systematischer Maßnahmen, die seit der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 auf die Ausschaltung aller politischen Gegner und auf die Etablierung eines autoritären Einparteienstaats zielten. Die SPD hatte sich – anders als viele bürgerliche Parteien – nicht freiwillig aufgelöst. Im Gegenteil: Sie hatte sich der Ermächtigung Hitlers widersetzt, als sie am 23. März 1933 im Reichstag als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz stimmte. Diese Haltung machte sie zur Zielscheibe besonderer Repressionen.
Bereits im Frühjahr 1933 kam es zu einer Welle von Verhaftungen, Misshandlungen und Einschüchterungen gegen sozialdemokratische Funktionäre und Mitglieder. Parteibüros wurden geschlossen, Zeitungen verboten, Vermögen beschlagnahmt. Viele Abgeordnete wurden verhaftet oder zur Emigration gezwungen. Die Verordnung vom 7. Juli 1933 brachte diesen repressiven Maßnahmen eine quasi-gesetzliche Grundlage. Durch sie wurde die demokratische Legitimation sozialdemokratischer Mandatsträger per Dekret für null und nichtig erklärt.
Diese Maßnahme war nicht nur Ausdruck der zunehmenden Willkürherrschaft der Nationalsozialisten, sondern auch ein deutlicher Bruch mit den Prinzipien der Gewaltenteilung und der repräsentativen Demokratie. Sie entzog gewählten Volksvertretern rückwirkend ihr Mandat – ohne Gerichtsverfahren, ohne Widerspruchsmöglichkeit, ohne parlamentarische Debatte. Die Legislative wurde damit endgültig zur Staffage degradiert, das politische Leben gleichgeschaltet.
Nur eine Woche später, am 14. Juli 1933, wurde die SPD auch formell verboten. Das "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" erklärte die NSDAP zur einzigen legalen Partei in Deutschland. Damit war die letzte noch bestehende legale Oppositionspartei beseitigt. Der Weg in die totalitäre Einparteienherrschaft war abgeschlossen.
Die SPD hatte in der Weimarer Republik eine zentrale Rolle gespielt – als Regierungspartei, als demokratisches Gegengewicht zu politischen Extremen, als sozialer Vertreter der Arbeiterschaft. Ihre systematische Ausschaltung war nicht nur ein Angriff auf eine Partei, sondern ein gezielter Schlag gegen die pluralistische Struktur der Republik. Es war der bewusste Versuch, jede Form politischer Alternativen und demokratischer Mitbestimmung auszulöschen.
Die Folgen dieses Schrittes waren tiefgreifend. Die Zerschlagung der politischen Opposition beraubte die Gesellschaft der Möglichkeit zur Kritik und zur Korrektur. Sie öffnete dem nationalsozialistischen Gewaltregime Tür und Tor, das sich fortan ungehindert ausbreiten konnte. Die Konzentrationslager füllten sich mit politischen Gegnern, die Gleichschaltung erfasste alle Lebensbereiche, die Kriegsvorbereitungen konnten ungestört beginnen.
Heute erinnert der 7. Juli 1933 an die Fragilität demokratischer Institutionen und an die Notwendigkeit, demokratische Rechte und Verfahren gegen autoritäre Versuchungen zu verteidigen. Er steht exemplarisch für den Preis, den eine Gesellschaft zahlt, wenn sie dem Abbau der Demokratie schweigend zusieht. Die Mahnung, wachsam gegenüber antidemokratischen Tendenzen zu bleiben, hat daher bis heute nichts an Aktualität verloren.
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