Es ist wieder so weit: Die Sonne brennt, der Asphalt klebt, und die Seriosität unserer Leitmedien schmilzt dahin wie ein schlecht gelauntes Softeis. Willkommen im Sommerloch, jener journalistischen Hungerperiode, in der selbst der kleinste Maulwurfshügel zur geopolitischen Erhebung wird und ein entlaufener Nacktmull zum Symbol für den Zerfall westlicher Werte stilisiert wird.
Wenn die Politik in die Ferien flüchtet und die Parlamente so leer sind wie das Hirn eines Dschungelcamp-Teilnehmers nach dem dritten Sangria-Eimer, dann übernehmen die wahren Könige der Berichterstattung: Hauskatzen, die in Waschmaschinen überleben, Gurken mit Jesusgesicht und Senioren, die sich im Baumarkt verirrt haben. Es ist die große Zeit der redaktionellen Resteverwertung.
Das Sommerloch ist quasi der Intervallfastenplan des Nachrichtengeschäfts. Man reduziert Kalorien, aber nicht unbedingt Bullshit. Statt echter Krisen bekommt man dann "Schwan attackiert Schlauchboot" oder "Rentner bastelt Atomreaktor im Keller". Letzterer wurde übrigens wieder aus dem Heim entlassen, weil er sich als energiepolitische Alternative zu Habeck etablieren wollte.
Es ist ein Naturgesetz: Wo nichts passiert, passiert plötzlich alles. Ein Wels in einem Dorfteich wird zum "Monster von Oberunterhausen", ein geklauter Gartenzwerg avanciert zur Staatsaffäre, und in Talkshows wird diskutiert, ob Avocados wirklich linksradikal sind.
Das Sommerloch hat seine eigenen Stars. Da ist natürlich das obligatorische "Krokodil im Baggersee", das jedes Jahr mit ähnlicher Regelmäßigkeit auftaucht wie das Sommer-Special von "Wer wird Millionär?". Niemand sieht es je, niemand fängt es, aber die Panik ist da, und das reicht.
Oder nehmen wir die legendären Tiere, die aus Zoos ausbrechen: Eine Schildkröte, die drei Meter in vier Tagen zurücklegt, wird als "flüchtige Gefahr für den Nahverkehr" gebrandmarkt. Der Papagei, der Polizisten beleidigt, bekommt eine eigene Doku. Und irgendwo in Bayern fängt garantiert wieder jemand an, Kornkreise zu deuten, weil Außerirdische offenbar nichts Besseres zu tun haben, als Getreide zu verunstalten.
In dieser journalistischen Einöde blühen die Sprachblumen. Nachrichten werden zu Prosa, wenn nicht gar zu Fantasy-Literatur. Aus "Hund entlaufen" wird "Treue Seele auf Odyssee", aus "Freibad geschlossen" ein "Badechaos mit Systemversagen". Man ahnt, dass ein Volontär irgendwo in der Redaktion weint, weil er dafür ein Journalistikstudium aufgenommen hat.
Auch die Politik trägt ihren Teil bei. Statements aus dem Urlaubsdomizil, vorzugsweise in kurzärmeligem Hemd und mit Sonnenbrand, ersetzen politische Weitsicht. Statt Koalitionsverhandlungen gibt es Koalitionssandburgen. Minister twittern aus Hängematten, Kanzler schweigen aus Italien. Und irgendwo macht ein Lokalpolitiker Schlagzeilen, weil er im Bäderparadies ein Kind vom Drei-Meter-Brett geschubst hat.
Warum aber lieben wir das Sommerloch so sehr? Vielleicht, weil wir endlich mal belanglosen Käse lesen dürfen, ohne schlechtes Gewissen. Kein Krieg, keine Inflation, kein Weltuntergang – nur ein Bär, der in einem Garten planscht. Endlich mal gute Nachrichten, die keine sind.
Man sehnt sich nach Geschichten, die so harmlos sind, dass man sich beim Lesen die Sonnencreme nachlegt und denkt: "Ach, die Welt ist doch gar nicht so schlimm."
Das Sommerloch ist der Pausenmodus der Republik, ein kollektives Durchschnaufen zwischen Hysterie und Hitzschlag. Es zeigt, wie sehr wir nach Pause, Unsinn und einer Prise Absurdität lechzen. Es ist die literarische Form von Flipflops: unbequem, lächerlich, aber irgendwie dazugehörig.
Also lasst uns dankbar sein für das Sommerloch. Für jede entlaufene Riesenschlange, für jedes umgekippte Planschbecken mit Einsatz der Feuerwehr, für jeden Politiker, der sich in einem Tretboot ablichten lässt. Denn eines ist sicher: Der Ernst des Lebens kommt früh genug zurück. Bis dahin: Schwimmen wir im Flachwasser der Kuriositäten und genießen die wohlverdiente Oberflächlichkeit.
Amen. Und Sonnenhut nicht vergessen.
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