Der jüngst unterzeichnete Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich markiert mehr als nur eine Rückkehr zu guten bilateralen Beziehungen nach dem Brexit. Er signalisiert einen strategischen Anspruch, die Zusammenarbeit in Zeiten wachsender Unsicherheiten neu zu definieren und zu vertiefen. Besonders bemerkenswert sind drei Perspektiven aus der internationalen Presse, die das Abkommen als Schlüsselereignis europäischer Politik einordnen.
1. The Times: „Drei Freunde für alle Fälle“
Die britische Times sieht in dem Abkommen ein neues Dreieck zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Während London und Paris bereits seit Jahren ihre nukleare Kooperation pflegen, bietet der Vertrag mit Berlin die Chance, industrielle und militärische Stärken gezielt zu bündeln.
„Die deutsch-britische Klausel zur gegenseitigen Verteidigung könnte angesichts der Nato als überflüssig betrachtet werden. Doch sie ist … richtungsweisend für die angestrebte strategische Autonomie Europas.“
Diese Einschätzung ist bemerkenswert, da die NATO traditionell den zentralen Sicherheitsgaranten Europas darstellt. Der Vertrag signalisiert dennoch den Willen der drei größten EU- bzw. europäischen Staaten, ihre Verteidigungsfähigkeit eigenständiger zu denken – ohne jedoch die transatlantische Allianz zu ersetzen. Vielmehr geht es um die politische Botschaft, dass Europa auch eigenständig handlungsfähig sein muss, wenn geopolitische Herausforderungen wie Russland oder instabile Weltregionen dies erfordern.
2. The Guardian: „Neustart in dunklen Zeiten“
Der Guardian betont die zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Dimension des Vertrags:
„Die Deutschen werden froh sein, dass Schulausflüge ins Vereinigte Königreich unkomplizierter werden. … Zu den Leuchtturmprojekten … gehören ein Wirtschaftsforum, ein Jugendgipfel, Kulturinitiativen und die Ankündigung einer direkten Zugverbindung zwischen London und Köln.“
Nach den Jahren des Brexit-Blicks in den Rückspiegel eröffnet das Abkommen neue Kanäle der Begegnung und Kooperation. Gerade die geplante Bahnverbindung zwischen Köln und London steht sinnbildlich für die Überwindung von Grenzen und die Betonung praktischer Zusammenarbeit. Ein Jugendgipfel oder Kulturprojekte sind wichtige Impulse, um die Beziehungen nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch im gesellschaftlichen Alltag zu verankern.
3. La Stampa: „Engeres Bündnis als die Nato“
Das italienische Blatt La Stampa legt den Fokus stärker auf die sicherheitspolitische Dimension:
„Die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich ist … eine der Säulen des … Abkommens, in dem sich die beiden Länder … zur gegenseitigen Verteidigung verpflichten, die über die derzeitigen Verpflichtungen aus ihrer gemeinsamen Nato-Mitgliedschaft hinausgeht.“
Diese Formulierung legt nahe, dass der Vertrag Elemente einer bilateralen Sicherheitsgarantie enthält, die als Ergänzung zur NATO interpretiert werden kann. Dass Berlin und London trotz historischer Unterschiede nun eine solche „erweiterte Sicherheitsklausel“ verankern, unterstreicht das wachsende Bewusstsein, dass Europa seine Verteidigungsfähigkeit stärker koordinieren muss.
Mein Fazit
Der Freundschaftsvertrag ist nicht nur eine Rückkehr zu pragmatischer Zusammenarbeit nach dem Brexit, sondern ein Signal an Europa und die Welt: Die drei Schwergewichte Großbritannien, Frankreich und Deutschland wollen gemeinsam mehr Verantwortung für die europäische Sicherheit, Industriepolitik und kulturelle Vernetzung übernehmen.
In Zeiten multipler Krisen – vom Ukrainekrieg über den globalen Machtkampf zwischen USA und China bis zu Cyberbedrohungen – ist es sinnvoll, wenn die größten europäischen Nationen sich enger abstimmen. Der Vertrag könnte sich langfristig als „Mini-Grundstein“ für eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur erweisen, die NATO und EU sinnvoll ergänzt.
Das Abkommen ist weit mehr als ein symbolischer Akt der Freundschaft – es ist ein strategisches Signal. Für Deutschland bietet es zudem die Chance, seine Rolle als Vermittler und Partner in Europa neu zu definieren und von der Blockadehaltung der Brexit-Jahre zu einem konstruktiven, zukunftsorientierten Miteinander zu gelangen.
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