Friedrich Merz, dieser ewige Prophet der Hochleistungsökonomie, hat mal wieder in die Ideenkiste von 1983 gegriffen und herausgezogen: "Mehr Arbeit führt zu mehr Wohlstand." Ein Satz, so simpel wie ein Toastbrot, aber mit weniger Nährwert. Die Idee, dass Wohlstand allein durch Mehrarbeit erzeugt wird, ist der intellektuelle Cousin des Vorschlags, bei Schlaflosigkeit einfach die Augen fester zuzudrücken.
Merz' Denkmodell ist dabei bestechend einfach. Wirklich bestechend. Wie ein Käse, der seit Monaten auf der Fensterbank liegt. Wer mehr arbeitet, verdient mehr. Und wenn alle mehr arbeiten, geht's uns allen besser. Das ist so logisch wie der Glaube, dass man mit drei Weckern schneller wach wird. Aber gut, wer braucht schon differenzierte Betrachtung von Einkommen und Vermögen, wenn man auch einfach auf die große Pauke hauen kann?
Denn hier liegt der erste schöne Denkfehler begraben, mit Schleifchen aus neoliberaler Nostalgie: Einkommen ist nicht gleich Vermögen. Klar, durch Mehrarbeit kann man sein Einkommen steigern. Aber Vermögen? Das bleibt schön da, wo es schon ist: Bei denen, die schon welches haben. Da kann man sich noch so krumm schuften, wenn der Kapitalertrag schneller steigt als der Stundenlohn, dann bleibt die Vermögensverteilung so gerecht wie ein Monopoly-Spiel unter Hedgefonds-Managern.
Und während Merz also vorschlägt, den deutschen Durchschnittsbürger in eine Art Bio-Roboter zu verwandeln, der mit 60 Wochenstunden Richtung Wohlstand marschiert, bleibt eine Kleinigkeit unerwähnt: Menschen sind keine Maschinen. Sie müssen schlafen, leben, atmen, mit ihren Kindern reden, vielleicht sogar mal ein Buch lesen (keine Sorge, Friedrich, nicht deines). Die Grenze der Arbeitszeit ist nicht nur biologisch, sondern gesellschaftlich. Wer mehr arbeitet, hat weniger Zeit für alles andere. Wer Familie hat, sieht sie dann eben auf Fotos. Wer ein Ehrenamt hat, kann das in die Rente verschieben. Und wer krank wird, nun ja, der kann sich immerhin darauf verlassen, dass Friedrich Merz ihm von der Seitenlinie zunickt.
Und natürlich ignoriert diese schön retrohafte Leistungslehre auch die realen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Arbeitskräfte sind endlich, Produktivitätszuwächse stagnieren nicht, weil Menschen zu faul sind, sondern weil man Innovation nicht mit der Stempeluhr misst.
Was wäre denn mit anderen Wegen? Ach ja, da gibt's ja was: Investitionen in Bildung, eine faire Steuerpolitik, ein Erbschaftssteuersystem, das nicht nur symbolisch existiert. Oder technologische Innovation, die Arbeit effizienter und menschenfreundlicher macht. Aber das klingt so gar nicht nach dem guten alten Leistungsethos von 1990.
Fazit: Merz will uns mehr schuften lassen, damit wir endlich Wohlstand kriegen. Dabei wäre vielleicht weniger Schuften und mehr Umverteilen die klügere Idee. Aber hey, was weiß ich schon – ich bin ja nur ein Rentner. Der muss nicht malochen. Noch nicht.
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