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Der transatlantische Knicks – Wie Friedrich Merz das Rückgrat in Washington vergaß

Manche Reisen verändern ein Leben. Andere verändern leider nur das Selbstbild – und das in eine Richtung, die nicht einmal ein Zahnarztspiegel reflektieren möchte. Friedrich Merz, der frisch gebackene Bundeskanzler (eine Tatsache, die allein schon eine Fußnote in der Absurditätsgeschichte des 21. Jahrhunderts verdient), hat bei seinem Antrittsbesuch in den USA eindrucksvoll demonstriert, wie man internationale Diplomatie mit devoter Selbstaufgabe verwechselt.

Denn was eigentlich ein Treffen zweier Staatsmänner hätte sein sollen, verkam zum fotogenen Kotau vor einem narzisstisch veranlagten Reality-TV-Star, der zufällig erneut das Oval Office mit seiner Gänsehaut-induzierenden Aura besetzt. Merz, der früher wenigstens so tat, als hätte er Prinzipien, erschien in Washington wie ein Praktikant im Hosenanzug, der gerade ein Autogramm seines großen Vorbilds bekommen hat. Dabei glänzte er nicht etwa durch staatsmännische Haltung oder kühle Verhandlungsstärke, sondern durch ein devotes Dauerlächeln, das selbst diplomatische Botox-Gesandte erröten ließ.

In der gemeinsamen Pressekonferenz übernahm Merz die Rolle des transatlantischen Echochambers: Trump sprach – Merz nickte. Trump lügte – Merz lächelte. Trump vergaß Europa – Merz erinnerte ihn daran, höflich und mit gesenktem Blick. Es war kein Dialog, es war ein Bewerbungsgespräch, bei dem Merz sich offenbar als deutscher Statthalter eines amerikanischen Egomanen empfahl. Man hätte ihm nur noch ein Käppi mit "Make Deutschland Proud Again" aufsetzen müssen, und das Bild wäre komplett gewesen.

Besonders grotesk wurde es, als Merz, der sich im Wahlkampf noch für europäische Eigenständigkeit aussprach, plötzlich über "unverbrüchliche Treue" zu den Vereinigten Staaten schwadronierte – ein Vokabular, das selbst in den besten Zeiten des Kalten Kriegs bestenfalls auf NATO-Kaffeetassen gedruckt wurde. Kritische Fragen zu Trumps Aufkündigung internationaler Verträge, zu seinen demokratiezersetzenden Tendenzen oder zu seiner offenen Verachtung multilateraler Zusammenarbeit? Fehlanzeige. Stattdessen ein höfliches "Wir respektieren die amerikanische Position", was sich frei übersetzen lässt mit: "Wir haben zwar eine Meinung, aber sie darf Ihr Wohlbefinden nicht stören, Mr. President."

Was bleibt? Ein Kanzler, der statt Staatskunst Selbstverzwergung betreibt. Ein Besuch, der in Erinnerung bleibt – nicht wegen seiner Ergebnisse, sondern wegen der Bauchlage, in die sich ein deutscher Regierungschef freiwillig begab. Und ein bitterer Nachgeschmack in der transatlantischen Suppe: Während Europa um Souveränität ringt, übt Merz den Knicks vor dem König ohne Kleider. Und das mit der Grazie eines Wirtschaftsprüfers auf Glatteis.

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