Direkt zum Hauptbereich

Benjamin Netanjahu: Politische Karriere, Kontroversen und Vermächtnis des langjährigen israelischen Premierministers

Benjamin Netanjahu wurde am 21. Oktober 1949 in Tel Aviv als zweiter von drei Söhnen des renommierten jüdischen Historikers Benzion Netanjahu geboren. Er wuchs in Jerusalem und während der Forschungsjahre seines Vaters in den USA auf, besuchte die Cheltenham High School in Pennsylvania und kehrte 1967 zum Wehrdienst nach Israel zurück.

Als Offizier der Eliteeinheit Sajeret Matkal nahm Netanjahu an riskanten Einsätzen gegen palästinensische und libanesische Ziele teil, wurde zweimal verwundet und diente 1973 im Jom-Kippur-Krieg. Nach der Armee erwarb er am MIT einen Bachelor in Architektur sowie einen Management-Master und belegte Politikwissenschaftskurse an Harvard. Kurzzeitig arbeitete er für die Boston Consulting Group, bevor er 1984–88 Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen wurde und sich dort als wortgewandter Gegner des Terrorismus profilierte.

1993 übernahm Netanjahu die Führung des rechtskonservativen Likud und gewann 1996 als erster direkt gewählter Premierminister. Innenpolitisch setzte er auf marktwirtschaftliche Reformen; außenpolitisch unterzeichnete er das Hebron-Abkommen (1997) und das Wye-River-Memorandum (1998), die begrenzte Gebietsabgaben an die Palästinensische Autonomiebehörde regelten. Den Regierungswechsel 1999 zu Ehud Barak interpretierte Netanjahu als Lehrstück für die Notwendigkeit eines härteren Sicherheitskurses.

Ab 2003 prägte Netanjahu als Finanzminister eine radikal neoliberale Agenda, die Steuern senkte, Subventionen kürzte und die Hochtechnologiebranche stärkte. 2009 kehrte er in die Staatsführung zurück und blieb – nach vier Wahlsiegen – bis 2021 im Amt, länger als jeder israelische Premier vor ihm. Die Ära war geprägt von Siedlungsausbau, einer globalen Kampagne gegen Irans Atomprogramm und von Netanjahus Teilnahme an den „Abraham-Abkommen“ (2020), welche Normalisierungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Sudan einleiteten.

Nach einer Oppositionsphase (2021–22) schmiedete Netanjahu Ende 2022 eine rechts-religiöse Koalition. Sein Versuch, die Befugnisse des Obersten Gerichts per „Justizreform“ einzuschränken, mobilisierte seit Januar 2023 die größten Proteste der Landesgeschichte. Obwohl die Reform wegen des Gaza-Kriegs zwischenzeitlich ruhte, verabschiedete die Knesset im April 2025 erneut ein Gesetz zur politischen Kontrolle der Richter – von Kritiker*innen als „Staatsstreich“ gebrandmarkt.

Der 7. Oktober 2023 markierte eine Zäsur: Der Hamas-Angriff forderte 1 200 israelische Todesopfer und führte zu einem 15-monatigen Krieg in Gaza. Ein von USA, Ägypten und Katar vermittelter Waffenstillstand im Januar 2025 brach rasch zusammen; parallel eskalierte ein offener Schlagabtausch mit Iran, der Netanjahu innenpolitisch zeitweilig nutzte.

Gleichzeitig lasten schwere juristische Verfahren auf ihm: Seit Mai 2020 steht Netanjahu in drei Fällen wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit vor Gericht; die Verteidigung begann Ende 2024. Am 21. November 2024 erließ der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle gegen Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen.

Privat ist Netanjahu seit 1991 mit der Psychologin Sara Ben-Artzi verheiratet; das Paar hat die Söhne Jair und Avner. Sein älterer Bruder Yonatan („Yoni“) fiel 1976 als Kommandeur der Entebbe-Geiselbefreiung – ein Trauma, das Netanjahu als Triebfeder seines kompromisslosen Sicherheitskurses beschreibt. Neben seiner politischen Karriere verfasste er mehrere Bücher, darunter „Fighting Terrorism“ (1995), und bleibt bis heute eine zugleich verehrte wie polarisierende Ikone der israelischen Politik.

Meine Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): → „Benjamin Netanjahu – Israels starker Mann“ https://www.bpb.de/themen/asien/israel/507274/benjamin-netanjahu/ (Stand: 2023)

Der Spiegel (Dossier Netanjahu): https://www.spiegel.de/thema/benjamin_netanjahu/

Deutschlandfunk – Hintergrund: → „Netanjahu – Der Überlebenskünstler der israelischen Politik“ https://www.deutschlandfunk.de/netanjahu-israel-portraet-100.html

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mit Vollgas in die Bedeutungslosigkeit – Der Bundesparteitag der SPD, Juni 2025

Vom 27. bis 29. Juni 2025 versammelt sich die SPD in einer Halle irgendwo zwischen pragmatischer Verzweiflung und nostalgischem Sozialdemokratieschmerz zum Bundesparteitag. Man nennt es ein "Zusammenkommen", obwohl der innere Zustand der Partei eher an einen Stuhlkreis mit Flipchart erinnert, auf dem in roter Filzschrift steht: "Wir schaffen das – irgendwann". Thema des Parteitags: "Zukunft gestalten" – was ungefähr so viel Substanz hat wie ein feuchter Toast mit Aufdruck "Mut zur Mitte". Der Parteivorstand wird vermutlich mit PowerPoint-Präsentationen versuchen, dem Parteivolk zu erklären, warum 14% in den Umfragen ein Erfolg sind und wie man das als Mandat zur Regierungsführung deuten könnte. Olaf Scholz, der immer noch wirkt wie ein humanoider Ausdruck eines Behördenschreibens aus den 90ern, wird mit Lars Klingbeil ein "Zeichen der Erneuerung" setzen, indem er exakt dasselbe sagt wie 2021, nur diesmal mit leicht verzweifeltem Augenau...

"Stolzmonat" als rechte Hetzkampagne gegen den Pride Month

  Gestern endete der Juni, weltweit als Pride Month bekannt – ein Monat, in dem queere Menschen ihre Identität feiern, Sichtbarkeit fordern und gegen Diskriminierung demonstrieren. Mit Paraden, kulturellen Veranstaltungen und politischen Aktionen erinnern LGBTQIA+-Gemeinschaften und ihre Unterstützer an die Stonewall-Aufstände von 1969 in New York – ein Wendepunkt im Kampf für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Doch seit einigen Jahren wird der Pride Month gezielt von rechtspopulistischen und extrem rechten Akteuren angegriffen. Eine besonders perfide Strategie rechtsextremer und rechtspopulistischer Akteure ist die Erfindung eines sogenannten „Stolzmonats“ (englisch: "Straight Pride Month"), der als vermeintlich gleichwertiges Gegenstück zum Pride Month inszeniert wird. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich jedoch eine gezielte homofeindliche Kampagne, die in ideologischer Nähe zu kulturkämpferischen, autoritär geprägten Weltbildern steht und bewusst d...

Braucht Deutschland einen Veteranentag?

Deutschland hat jetzt also tatsächlich einen Veteranentag eingeführt. Wunderbar. Nur 80 Jahre nach Kriegsende, man will sich ja nicht hetzen. Seit 2025 begeht Deutschland nun offiziell einen Veteranentag – jedes Jahr am 15. Juni oder am davorliegenden Wochenende. Ein historischer Schritt in einem Land, das sich schwer damit tut, sein Verhältnis zum Militär neu zu denken. Doch so richtig angekommen ist dieser Tag in der gesellschaftlichen Mitte noch nicht. Der Veteranentag soll Soldatinnen und Soldaten würdigen, die in Auslandseinsätzen gedient haben – als Anerkennung für ihre oft übersehene Leistung.  Doch statt Applaus herrscht vielerorts Achselzucken. Der Begriff „Veteran“ klingt für viele Deutsche noch immer nach amerikanischem Pathos, nach Kriegsverherrlichung, nicht nach Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Die Frage ist also nicht mehr,  ob  Deutschland einen Veteranentag braucht – sondern  wie  es diesen Tag mit Inhalt füllt. Ein Veteranentag da...